Gründung in der Krise Teil II: Die Senkrechtstarterin
Gründung in der Krise Teil II: Die Senkrechtstarterin
Expandieren in der Krise? Die Kasseler Jung-Gastronomin Line Umbach hat genau das getan – vom kleinen Markthallen-Bistro zum großzügigen Restaurant. Im Lockdown setzt sie auf einen Hybrid zwischen to-go-, Liefer- und Ladengeschäft. Ihr Tipp: viel selbst machen und klug kalkulieren.
Line Umbach, die eigentlich studierte Architektin ist, machte vor dreieinhalb Jahren einen Ausflug in die Gastronomie – und ist geblieben. Mit dem Hos Søstrene hat sie gemeinsam mit ihrer Schwester ein dänisches Bistro in die Kasseler Markthalle gebracht. „Aus dem Dänischen übersetzt heißt “Hos Søstrene” “Bei den Schwestern““, erklärt sie. Die Affinität zu dem skandinavischen Land komme durch ihre dänische Mutter.
Trotz Pandemie eröffnete Umbach dann im Juli 2020 ihr zweites Konzept ohne ihre Schwester, die zurück an die Uni gegangen ist. ”Frokost hos Line” heißt das neue Lokal, was “Mittagessen bei Line” bedeutet. Nachdem sie die beiden Konzepte gleichzeitig etwa ein halbes Jahr betrieben hatte, beschloss Umbach, sich voll und ganz auf ihr neues Baby zu konzentrieren und hat die Markthalle Anfang 2021 verlassen. Im Frokost hos Line bietet sie nun auf rund 100 Quadratmetern Smørrebrød – großzügig belegte Brote -, Salate und Zimtschnecken an. Gerade letzteres Trendgebäck sei zum Bestseller avanciert: „Das Zimtschnecken-Phänomen zieht die Leute magisch an“, scherzt die Gastronomin. Im Sommer habe sie pro Tag 200 bis 300 Stück verkauft. Umbach legt Wert darauf, dass alles, was sie in ihrem Lokal anbietet, selbstgemacht ist – vom Brot über die Soßen bis hin zu den beliebten Zimtschnecken, die die Konditorin vor Ort nach Umbachs Rezept backt.
Foto: Zimtschnecken im “Frokost hos Line” (Copyright: Line Umbach)
„Wir haben nie Leerlauf, trotzdem bleibt wenig übrig“
Vor der Expansion sah ihr Plan so aus, dass sie den neuen Laden in Ruhe umbaut und in der Markthalle weiterhin guten Umsatz macht. „Aber dann kam Corona und dadurch ist das alles eingebrochen“, erinnert sich Umbach. Während des ersten Lockdowns habe sie eine Stütze erhalten, die sie auch in den neuen Laden gesteckt habe. Gleichzeitig habe sie schnell reagiert und einen eigenen Lieferservice ins Leben gerufen, der vor allem im ersten Lockdown sehr gut angenommen worden sei.
Wie sie den nicht ganz risikofreien Schritt finanziert hat? „Ich konnte das recht gut selbst stemmen, weil ich in der Markthalle trotzdem noch guten Umsatz hatte, viel selbst gemacht und gleichzeitig vor Ort viel selbst gearbeitet habe“, sagt Umbach. Mit dem Gewinn aus dem Hos Søstrene habe sie den neuen Laden vorübergehend mit tragen können. November- und Dezemberhilfen habe sie trotz Eröffnung in der Krise dann auch erhalten: „Es wurde, anhand meines Umsatzes seit der Eröffnung, ein Durchschnittswert ermittelt.“, erklärt Umbach. Außer noch fehlender 25 Prozent aus der Dezemberhilfe habe sie diese Unterstützungen auch schon bekommen. „Ohne dieses Geld hätte ich trotz durchgehenden Umsatzes meine Kosten nicht mehr decken können. Das finde ich erschreckend, weil ich eigentlich das Gefühl habe, es läuft gut, die Mitarbeiter und ich haben nie Leerlauf. Trotzdem bleibt wenig übrig.“, stellt die Junggastronomin fest.
Was sie jetzt merke, ist dass sie durch den Sprung vom kleinen Bistro zum 100 Quadratmeter großen Restaurant mit ganz anderen Mengen und Größenordnungen rechnen müsse. Wer klug kalkuliere, könne sich in diesen schwierigen Zeiten über Wasser halten. Ihre Tipps: die Karte reduzieren und häufiger kleinere Einkäufe tätigen, anstatt einmal die Woche einen Großeinkauf zu machen. „Dafür hat man ja in der Regel gerade jetzt die Zeit und kann so besser kalkulieren“, rät Umbach. Das A und O sei aber das Selbstmachen: „Wenn man nur zukauft und nichts selbst produziert, dann lohnt das Geschäft kaum.“, betont die Gastronomin.
Foto: Smørrebrød-Variationen im “Frokost hos Line” (Copyright: Line Umbach)
Mit to-go-, Liefer- und Ladengeschäft durch die Krise
Auf der großen leerstehenden Fläche in ihrem Restaurant hat die Gastronomin zudem einen Lebensmittelmarkt errichtet. Ihre eigenen Produkte und Waren von regionalen Hersteller:innen wie Schokolade, Kaffee, sowie Bier und Gin aus Kassel stehen dort, wo sonst die Gäste sitzen würden, in großen Regalen zum Verkauf. „Dadurch habe ich viel Laufkundschaft. Wer reinkommt, um eine Zimtschnecke oder einen Kaffee to go zu kaufen, nimmt meist auch noch etwas anderes mit“, freut sich Umbach. Dadurch liege der Schwerpunkt nicht auf dem Liefergeschäft, sondern eher auf to-go.
Das Mitnahmegeschäft möchte Umbach auch nach der Pandemie als positive Begleiterscheinung aus der Krise mitnehmen: „Vor Corona gab es das bei mir auch schon, aber nicht so ausgeprägt und das soll auch weiterhin so bestehen.“, sagt Umbach. Ihr Wunsch für die Zeit nach Corona: „Dass Normalität einkehrt, die Gäste wiederkommen und sie keine Angst haben, sich ins Restaurant zu setzen“.