Knäussle, Knüssle, Knärzje! Daniel Anthes braut Bier aus altem Brot und macht die Welt ein Stückchen besser

Knäussle, Knüssle, Knärzje! Daniel Anthes braut Bier aus altem Brot und macht die Welt ein Stückchen besser

Die Gründer Daniel Anthes und Ralf Wagner (Copyright: Knärzje GmbH)

Wenn dir das Leben olles Brot gibt, braue Bier daraus! Das könnte sich Daniel Anthes gedacht haben, als er zusammen mit Ralf Wagner das Start Up „Knärzje“ gründete. Im Interview spricht er über Autoladungen geretteter Backwaren, britisches Toast Ale und Lebensmittelverschwendung.

kollex: Daniel, wer deinen Namen googlet, der findet heraus, dass du sehr umtriebig im Dienste der Nachhaltigkeit unterwegs bist: Du engagierst dich in dem Verein ShoutOutLoud, der sich für Nachhaltigkeit einsetzt, hast gemeinsam mit deiner Partnerin Katharina Schulenberg ein Buch über achtsamen Umgang mit Lebensmitteln geschrieben und braust mit deinem Geschäftspartner Ralf Wagner „Knärzje“ – das erste Bio-Brotbier Deutschlands. Erzähl doch bitte mal, wann dein Engagement gegen Lebensmittelverschwendung begann. 

Daniel Anthes: Über Foodsharing bin ich auf das Thema der Lebensmittelverschwendung aufmerksam geworden. Das war 2012/13. Da habe ich das erste Mal bei einem Filialbäcker Brot retten können. Zufällig war ich mit dem Auto da, was sich als wichtig erwiesen hatte, weil letztendlich das ganze Auto voll war mit Backwaren, die sonst in der Tonne gelandet wären. Das war ein Eye-Opener-Moment: Das passiert hier jeden Tag, jede Woche, das ganze Jahr über. 

Knärzje in Brot (Copyright: Knärzje GmbH)

Wie hoch ist die Lebensmittelverschwendung im Bereich der Backwaren?

Wir gehen davon aus, dass die Retouren-Quoten, also das, was Bäckereien nicht verkaufen und was wieder zurück in die Hauptproduktionsstätte und dann schließlich in die Biogasanlage geht, sich auf bis zu 20 Prozent belaufen. Man kann also sagen, dass jedes fünfte Brot verschwendet wird. Das sind auf Handelsebene bis zu 600 Tonnen im Jahr. Von den insgesamt in Deutschland 4,5 Millionen Tonnen produzierten Backwaren werden 1,7 Millionen Tonnen verschwendet – das ist rund ein Drittel und damit ein unvorstellbar großer Anteil.  

Wie kamt ihr darauf, ausgerechnet Bier aus altem Brot zu brauen? 

Aufgrund meines vorherigen Engagements gegen die Lebensmittelverschwendung wusste ich ja schon, dass viel Brot weggeschmissen wird. Ich war dann irgendwann mal mit Kumpels in London unterwegs. Da haben wir ein Bier probiert, das „Toast Ale“ heißt – das weltweit erste Bier aus altem Toastbrot. Ich habe mich dann gefragt, wieso macht das hier in Deutschland keiner? Ich meine, die ganze Welt beneidet ja das deutsche Brotback- und Bierbrauhandwerk. Warum also daraus nicht etwas Sinnvolles machen? 2019 habe ich dann gemeinsam mit Ralf Wagner „Knärzje“ über den Verein ShoutOutLoud initiiert. Im nächsten Schritt haben wir eine Firma daraus gegründet, weil die Resonanz so gut war. 

Woher kommt der Name Knärzje?

Der Begriff kommt aus dem Hessischen und Pfälzischen und beschreibt das Brotendstück, das Randstück eines Brotlaibes. In den deutschen Dialekten gibt es über 200 Bezeichnungen dafür. 

Bio-Siegel auf allen Knärzje-Flaschen (Copyright: Knärzje GmbH)

Wie lange musstet ihr an der Brauformel für das Brotbier tüfteln?

Schon der erste Brauversuch war ein Erfolg. Es hat direkt sehr passabel geschmeckt. Wir haben dann mit unterschiedlichen Broten experimentiert und wollten herausfinden, was es ausmacht, wenn man Weißbrot oder Vollkornbrot in den Kessel wirft. Das hat dem Bier dann auch immer unterschiedliche Noten geben. Relativ schnell, nach einem halben Jahr hatten wir eine Rezeptur, die sozusagen massentauglich war, aber auch nicht zu beliebig. Vorerst haben wir in einer Frankfurter Brauerei gestartet. Ende 2019 sind wir in eine Bio-Brauerei im Umland umgezogen und haben die Zutaten bio-transformiert. 

Mit welchen Partner:innen arbeitet ihr zusammen, um die Brotreste zu beziehen?

Wir haben anfangs mit der Frankfurter Bäckerei Zeit für Brot gearbeitet. Mittlerweile arbeiten wir mit der Bio-Bäckerei Kaiser zusammen, dem drittgrößten Bio-Bäcker in Deutschland. Wir beziehen Überschussware aus der Hauptproduktionsstätte und in Zukunft – wenn wir dann nach und nach mehr Bier brauen – werden wir auch Retouren aus den Läden erhalten. 

Wie oft braut ihr und in welchem Umfang?

Wir brauen einmal im Monat. Nach einem Durchlauf entstehen 10.000 Flaschen. Damit sind wir aber noch im Mikrobraubereich.

Wie viel Brot benötigt man für eine Flasche Brotbier?

Eine Scheibe, also plus-minus 18 Gramm. Wir ersetzen bis zu einem Viertel des Malzes mit Altbrot.

Verrätst du uns die Brauformel?

Die grundlegenden Zutaten sind, wie bei jedem anderen Bier auch, Malz, Hopfen und Hefe zum Vergären. Es unterscheidet sich von einem normalen Bier nur dadurch, dass wir einen Teil des Malzes durch Altbrot ersetzen. Auch der Prozess ist identisch. 

Schmeckt man das Brot aus dem Bier heraus?

Nein, Otto-Normal-Trinker:innen schmecken das nicht. Es ist ein süffiges Bier mit malzigem Körper und feinherbem Abgang. Wir haben versucht, ein Bier zu machen, das gut trinkbar, aber nicht zu beliebig daherkommt und ich glaube, das ist uns gelungen. 

Daniel Anthes ist Food- und Nachhaltigkeitsexperte, als Berater, Redner und Autor tätig und steht für einen kritischen Zukunftsoptimismus. Er bezeichnet sich selbst als „Sustainability Ninja“ und betreibt einen gleichnamigen Podcast rund um das Thema Nachhaltigkeit. Für das Start Up „Knärzje“ haben er und Mitgründer Ralf Wagner einen Preis gegen Lebensmittelverschwendung erhalten. Zuvor war er für die EU beratend im Bereich Klimainnovation und -ethik und als Nachhaltigkeitsbeauftragter für einen größeren US-Konzern tätig. Zurzeit ist er hauptberuflich Geschäftsführer von „Knärzje“ und ist nebenbei weiterhin freiberuflich als Redner und Berater hinsichtlich der Zukunft von Ernährung und Nachhaltigkeit unterwegs. 

 

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