LGBTQIA+ freundliche Gastronomie: Wer die Regenbogenflagge zeigt, muss auch Schutzräume bieten können
LGBTQIA+ freundliche Gastronomie:
Wer die Regenbogenflagge zeigt, muss auch Schutzräume bieten können
Danjel Zarte (33) betreibt mit der Grossen Freiheit 114 in Berlin eine All Gender Queer Bar. Im Interview mit kollex erklärt er, wie Gastronom:innen ihre Betriebe LGBTQIA+ freundlicher gestalten können.
kollex: Danjel, was würdest du Gastronom:innen, die nicht aus der LGBTQIA+ Community kommen, ihre Konzepte aber trotzdem gerne inklusiver gestalten wollen, raten?
Mein Rat wäre, das Thema erstmal mit dem gesamten Team zu besprechen. Grundvoraussetzung ist, dass Toleranz und Offenheit wirklich bei jedem gegeben sind. Bevor man sich die Regenbogenflagge an die Tür oder ins Fenster hängt, sollte einem bewusst sein, dass das queeren Menschen signalisiert: „Okay, da kann ich reingehen und sein, wie ich bin“. Das sollte man wirklich im Team besprechen, ob da jeder d’accord mit ist und da darf es dann auch keine Kompromisse geben. Entweder ganz oder gar nicht, lautet die Devise. Entweder man macht es vernünftig oder man lässt es.
Wie können Gastronom:innen denn ihr Team auf die Belange der Community sensibilisieren?
Wer da großen Aufklärungsbedarf im Team sieht, kann zum Beispiel Info-Veranstaltungen ausrichten. Der Unterschied zwischen Sex und Gender sollte erklärt werden und auf die verschiedenen Sexualitäten sollte da eingegangen werden. Das Personal sollte da schon ein Bewusstsein haben und das auch ausstrahlen.
Warum ist es gerade für die Gastronomie wichtig, das Signal der Regenbogenflagge sichtbar zu machen?
Ich als schwuler Mann zum Beispiel würde in einer Kleinstadt eher in ein Café gehen, das dieses Symbol der Regenbogenflagge nach außen zeigt. Alleine, weil ich wüsste, dass ich mit meiner Sexualität angenommen werde, wie ich bin. Ein:e Gastronom:in, die oder der sich für dieses Zeichen entscheidet, macht ihre oder seine Location damit automatisch zu einem Schutzraum für queere Personen. Man sollte wirklich gründlich darüber nachdenken, ob man diesen Schutzraum auch bieten kann. Das ist wichtig für queere Menschen, die in unserer Gesellschaft viel häufiger Gefahren ausgesetzt sind, als straighte Personen. Ich bin aber kein Fan vom plakativen Aushängen der Flagge, einfach nur weil Gastronom:innen noch mehr Gäste in ihrem Lokal haben wollen – das nennt man Rainbow Washing und davon rate ich dringend ab. Wer die Flagge in sein Fenster hängt, tut das, weil er hinter der Community steht und nicht aus kapitalistischen Gründen. Gerade während des Pride Months bringt gefühlt jede zweite Marke eine Rainbow Collection raus. Ich sehe das kritisch, weil so eine Einstellung im Unternehmen auch praktiziert werden muss. Oft ist das nicht der Fall.
Wie kommunizieren Gastronom:innen ihre LGBTQIA+ freundliche Unternehmenspolitik der Kund:innenschaft am besten?
Ich selbst komme aus einem kleinen Dorf in der Eiffel und weiß, dass allein die Anwesenheit einer queeren Person etwa im Café von einigen nicht queeren Personen als störend empfunden werden kann. An so einem Punkt müssen Gastronom:innen in Erscheinung treten und klar machen, dass dies ein LGBTQIA+ freundlicher Ort ist, an dem es keinen Raum für Intoleranz gibt. Sollte es wirklich mal einen feindlichen Vorfall geben, dann würde ich der betroffenen Person erstmal die Möglichkeit geben, aus der Situation raus zu gehen und sich kurz zu sammeln, indem ich ihr anbiete, mit hinter die Theke zu kommen oder ähnliches. Und dann muss ich natürlich auch aktiv eingreifen und die Person, von der der Angriff ausgeht, ansprechen. Wenn es keine Einsicht gibt, dann muss sie leider des Lokals verwiesen werden.
Du hast die alt eingesessene Gay Bar Grosse Freiheit 114 im August 2021 übernommen, umgebaut und das Konzept von einer reinen Gay Bar zu einer All Gender Queer Bar verändert. Was bedeutet das und wieso war dir dieser Schritt wichtig?
Richtig, die Grosse Freiheit 114 war vorher eine rein männerfrequentierte Gay Bar. Das heißt, nur schwule Männer hatten Zugang zur Bar. Und das Besondere an ihr ist, dass sie eine Bar mit beruhigtem Gastraum ist, also einen Darkroom hat. Ich habe das Konzept dann zur All Gender Queer Bar umgekrempelt, weil es mir wichtig ist, niemanden auszuschließen. Ob schwul, lesbisch, hetero, bi oder queer – für jede Person, die offen und tolerant ist, gibt es in der neuen Grossen Freiheit 114 Platz – unabhängig von Herkunft und Sexualität. Alle sollen sich wohl fühlen.
Was planst du anlässlich des anstehenden Christopher Street Days in Berlin?
Wir, also das Team, einige Stammgäst:innen und ich werden auf dem CSD sein, weil Sichtbarkeit super wichtig ist. Außerdem möchte ich die Gelegenheit nutzen, das Publikum darauf aufmerksam zu machen, dass wir jetzt eine All Gender Queer Bar betreiben und alle willkommen sind. Am liebsten hätten wir natürlich auch einen eigenen Truck, aber das wär dann doch zu viel Aufwand. Vielleicht klappt das aber nächstes Jahr.