Queerfeindlichkeit im Regenbogenviertel: So schützen Gastronom:innen die LGBTQIA+ Community 

Queerfeindlichkeit im Regenbogenviertel:
So schützen Gastronom:innen die LGBTQIA+ Community
 

Safer Spaces Sticker auf Glas

Offizieller Sticker der “Safer Spaces for Queer People”-Kampagne (Copyright: Ivo Gorisch)

Ivo Gorisch, Barkeeper einer Queer Bar in Frankfurt am Main, hat nach brutalen Angriffen auf queere Menschen im Viertel ein Projekt zum Schutz der LGBTQIA+ Community ins Leben gerufen. Was Gastronom:innen vorbeugend tun können, um echte Schutzräume zu bieten, verrät er im Interview. 


kollex: Ivo, das Lucky’s ist keine reine Gay Bar, in der schwule Männer unter sich sind, sondern es definiert sich als Queer Bar, die offen für alle ist. Was habt ihr denn so für ein Publikum?

Ivo Gorisch: Unser Publikum ist breit gestreut im Alter von 18 bis 80 Jahren. Wir haben eine große Stammkundschaft, die teilweise schon seit über 30 Jahren zu uns kommt. Und die aus einer Zeit kommt, in der queer sein oder gay sein noch als Straftatbestand galt. Erst ab 1991 hat die WHO (World Health Organization – Anm. d. Red.) das Schwul- und Lesbisch-Sein von der Liste der Krankheiten genommen. Viele der Gäste, die diese Zeit noch kennen, sehen das Lucky’s als queeren und sicheren Rückzugsraum, weil sie es gewohnt waren, im alltäglichen Leben angegriffen zu werden. Es kommen aber auch viele Studenten zu uns, ebenso wie Frauen, trans Personen und Hetero-Männer, die Lust auf coole Partys haben. Wir sind offen für jeden.

Wer ein diverses Publikum bewirten möchte, sollte also aufgeschlossen und tolerant sein und der LGBTQIA+ Community Schutzräume bieten.

Ivo Gorisch, Stammgästin Josefine Liebig und Drag Queen Jessica Walker (v. l. n. r., Copyright: Lucky's Frankfurt)

Ich kann nur sagen: Akzeptiert und toleriert Menschen, genauso wie ihr es auch selbst für euch wollt. Schaut nicht darauf, wie ein Mensch lebt und wen er liebt, sondern darauf, was das für ein Mensch ist. Akzeptanz ist wichtig und dass man sich auf die Leute einlässt. Queere Menschen sind nicht anders oder besonderer als andere Menschen, die irgendwo was essen oder trinken gehen wollen. Wir sind mega offen anderen gegenüber und gehen auf andere Leute zu. Für uns ist es wichtig, dass wir genau so gesehen und akzeptiert werden. Im Zweifel kann man mit uns eine sehr gute Zeit haben. Ganz außer Acht lassen sollte man auch nicht, dass es sich bei Gays oft auch um ein zahlungskräftiges Publikum handelt. Ich will jetzt nicht sagen, dass man uns nur wegen unseres Geldes bewirten sollte. Aber wir haben oft insgesamt weniger Verpflichtungen als eine traditionelle Kernfamilie aus Mutter, Vater und Kind das hat. Wir können unser Monatsbudget anders einteilen. Es gibt in den großen deutschen Städten viele Bänker und Unternehmer, die zur LGBTQIA+ Community gehören, die natürlich auch Teil eines zahlungskräftigen Publikums sind. 

Welche Tipps kannst du Gastronom:innen geben, die ihre Konzepte LGBTQIA+ freundlicher gestalten möchten? Reicht es aus, sich einfach eine Regenbogenflagge ins Fenster zu hängen?

Mit der Regenbogenflagge verbinden Menschen aus der Community vor allem ein Schutzbedürfnis. Darüber sollte sich jeder Gastronom im Klaren sein. Wir hatten in Frankfurt in den letzten eineinhalb Jahren verstärkt sehr brutale Angriffe auf die LGBTQIA+ Community. Einem Freund von mir wurde morgens, als er aus der Bar ging, der Kiefer gebrochen. Es gab einen Angriff mit Pfefferspray auf eine sehr bekannte Frankfurter Drag Queen. Es wurden abgebrochene Flaschenhälse verwendet, um Menschen zu bedrohen und zu verletzen. Das hat leider sehr zugenommen. Deswegen sage ich: Nein, ein Regenbogen im Fenster reicht nicht aus, um Menschen zu signalisieren, dass sie hier sicher sind. Es ist wichtig, den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie bei uns geborgen sind, wenn ihnen etwas passiert. 

Das Lucky’s von innen (Copyright: Lucky's Frankfurt)

Das Lucky’s befindet sich in einem Viertel mit viel queerer Gastronomie. Rund um den sogenannten „Regenbogenkreisel“ – einem Kreisel, dessen Mitte symbolisch in Regenbogenfarben bemalt ist –, finden immer wieder queerfeindliche Angriffe statt. Gibt es Maßnahmen, die Gastronom:innen gemeinsam mit der Stadt ergreifen, um die Community zu schützen?

Die gibt es. Gemeinsam mit der Stadt und der Polizei in Frankfurt haben wir eine Kampagne auf den Weg gebracht. Sie nennt sich Safer Spaces for Queer People. Über die Problematik wurde im Rahmen von Aktionstagen informiert. Teil der Kampagne ist nicht nur die im Regenbogenviertel ansässige Gastronomie, sondern auch der Einzelhandel. Da sind auch Shisha Bars, Tabakläden und Spätis dabei. Im Zuge des Projekts gibt es jeweils einen Queer-Vertreter von der Stadt, der Polizei und mich als Vertreter der Gastronomie. Gemeinsam sind wir gerade auf die Läden hier im Viertel zugegangen, bei denen wir wissen, dass sie sehr spät noch offen sind. Die haben wir angesprochen und eine 100-prozentige Zustimmung bekommen. Es wurde ein Sticker entwickelt, der in den bisher teilnehmenden Geschäften sichtbar platziert ist. Sollte jemand verfolgt oder angegriffen werden, dann bieten all diese Geschäfte und gastronomischen Betriebe Schutzräume. Betroffene können da rein gehen und auf die Polizei warten. Außerdem sind dort auch QR-Codes hinterlegt, die zur Online-Seite der Polizei führen, über die man Anzeige erstatten kann. Aber auch Opferberatungsstellen sind in dieses Projekt integriert. So etwas ist jetzt gerade leider wieder sehr wichtig. Das hat sich in den letzten Jahren sehr gewandelt, dass es eine verstärkte Stimmung und Haltung gegen uns gibt. 

Wie erklärst du dir, dass gerade in einem queer geprägten Viertel gehäuft solche Angriffe stattfinden?

Wir befinden uns hier mitten in der Innenstadt. Das ist ein sehr diverses Umfeld, in dem auch Besucher von außerhalb feiern gehen, die im alltäglichen Leben überhaupt keine Berührungspunkte mit der Community haben. Es besteht ein hoher Migrantenanteil – ohne das werten zu wollen. Das Regenbogenviertel befindet sich also in einem Schmelztiegel und da gibt es am Wochenende auch eher mal Stress. 

Was rätst du Gastronom:innen, die in ihren Betrieben homophobe oder queerfeindliche Diskriminierungen beobachten? Wie können sie in der Situation damit umgehen?

Bei uns im Viertel gibt es LGBTQ-Beauftragte der Polizei, die hier unterwegs sind. Die kann man ansprechen und sie geben Hilfestellungen. Man kann sich auch präventiv mit ihnen in Verbindung setzen und sich beraten lassen. Ansonsten gibt es auch in Frankfurt Projekte wie das LSKH – ein queeres Kulturhaus – oder natürlich auch die AIDS-Hilfe, an die man sich wenden kann. Gastronomen sollten sich also am besten bevor solche Situationen passieren, schon mit solchen Stellen vernetzt haben und sich beraten lassen, wie sie ihre Läden sicherer machen können. Diese Vertreter und Beratungsstellen gibt es definitiv auch in Berlin, Hamburg, München und Köln. 

Ivo Gorisch hinter der Bar (Copyright: Lucky's Frankfurt)

Neben deinem Job als Barkeeper bist du auch noch für ein großes deutsche Luftfahrtunternehmen tätig. Gerade während des Pride Months und der Christopher Street Day Paraden schmücken sich große Unternehmen gerne mit der Regenbogenflagge. Wird das überwiegend zu Marketingzwecken gemacht, dann bezeichnet man das als problematisches Rainbow Washing. Was können diese Unternehmen außerhalb des Pride Months das ganze restliche Jahr über für die Community tun?

Man sollte die Akzeptanz leben. Ich weiß zum Beispiel, dass es drei Flieger eines Paket- und Brief-Express-Dienstes gibt, die mit den Regenbogenfarben bemalt wurden. Die werden oft als Reserve zurückgehalten. Wenn andere Flieger ausfallen und zum Beispiel ein Flug nach Kairo oder Amman (Hauptstadt Jordaniens – Anm. d. Red.) ansteht, dann wird der Rainbow-Flieger nicht eingesetzt. Da sind schon mehrere Flüge ausgefallen, weil man sich nicht getraut hat, diese Flugzeuge in Regenbogenfarben in Regionen zu schicken, die dem ganzen kritisch gegenüber stehen. Das ist dann natürlich problematisch. Zum Einen, weil Flüge ausfallen müssen und zum Anderen, weil ich das Versprechen, divers zu sein, das ich mit solchen Aktionen wie den bunt bemalten Fliegern gebe, in dem Moment nicht mehr lebe. Es gibt unzählige Beispiele auch von anderen großen Unternehmen, die etwa die Regenbogenflagge in ihr Logo aufnehmen, aber beispielsweise in Saudi Arabien das normale Logo zeigen. Wenn ich ein weltweit agierendes Unternehmen bin und sage, ich möchte die LGBTQIA+ Community unterstützen, dann ist das schön und gut. Dann aber bitte auch überall, wo ich tätig bin. Denn in anderen Ländern, in denen die Situation prekärer ist, ist es noch viel wichtiger, für Akzeptanz zu kämpfen. 


Ivo Gorisch (Copyright:Lucky's Frankfurt)

Ivo Gorisch ist Barkeeper, Karaoke-DJ, Moderator und Presse-Stimme der Queer Bar Lucky’s in Frankfurt am Main. Betrieben wird sie von Inhaber Martin Tannert. Bereits seit 38 Jahren besteht die queere Institution, seit 26 Jahren in der aktuellen Location, am Rande des Frankfurter Regenbogenviertels. Gorisch ist Mitinitiator des Projekts „Safer Spaces for Queer People“, das sich im Viertel für die Sicherheit queerer Menschen einsetzt. Daneben ist er für ein großes Luftfahrtunternehmen tätig.