Gastro-Restart Teil III: Erwachen in München

Gastro-Restart Teil III: Erwachen in München

Sandra Forster betreibt in München vier Restaurants und zwei Clubs. Sie hat uns erzählt, wie der Restart bei ihr ablief und kritisiert, dass ein „Kollateralschaden der Gastronomie“ von der Politik hingenommen werde.

Rein in den Restart

„Ab dem 12. Mai konnte die Münchener Außengastronomie öffnen. Da haben wir zuerst einmal zwei Konzepte aufgemacht: das Charlie Scout und den Roecklplatz. Mit den anderen beiden Restaurants Kismet und Blitz haben wir zwei Wochen gewartet. Alles gleichzeitig zu eröffnen, hätten wir nicht geschafft. Das wäre organisatorisch schwierig gewesen.”

Auf einmal öffnen

Das Charlie Scout Restaurant (Copyright: Jan Schünke)

„Es gibt ja gerade in touristischen Gebieten im Ausland viele Restaurants, die außerhalb der Saison Winterpause machen. So ähnlich war es hier nach diesen sieben Lockdown-Monaten auch. Wir fahren jetzt alles wieder hoch. Der Aufwand ist schon hoch. Der erste Lockdown ging ja nur zwei Monate, dieser dauerte immerhin sieben Monate an – das ist eine lange Zeit. Da dachte ich mir schon teilweise: Oh Gott, wie funktioniert denn nochmal die Kasse? Es gibt Dinge, die muss man sich dann wieder in Erinnerung rufen. In den Häusern passieren auch in so einer langen Zeit des Leerstands merkwürdige Dinge: Geräte waren auf einmal kaputt, dann haben Mäuse irgendwelche Siphons von Spülmaschinen durchgefressen – lauter so ein Zeug, das in verlassenen Räumen geschieht, obwohl sie eigentlich gar nicht verlassen waren. Aber die Nutzung war natürlich nicht die gleiche.“

Große Erleichterung bei Gästen und Gastronom:innen?

Ein Tisch im Blitz Restaurant (Copyright: Jan Schünke)

„Bei den Gästen war die Reaktion auf die Wiedereröffnung nicht der totale Knaller. Bei uns war das Wetter leider schlecht: Als wir öffnen durften, hat es permanent geregnet und war bitterkalt. Ironischerweise durfte man ja in den ersten paar Wochen nur draußen sitzen. Wir haben uns gefragt, womit wir und unsere Gäste das jetzt auch noch verdient haben. Hinzu kam, dass die ersten Wochen hart reglementiert waren durch die Testpflicht, die Sperrstunde ab 22 Uhr und dadurch dass sich nur maximal zwei Haushalte an einem Tisch in den Außenbereichen treffen durften. Die Umstände waren so schrecklich, dass ich auch verstanden habe, dass nicht so viele  gekommen sind. Ungefähr seit der Öffnung der Innenräume am 7. Juni ist das Wetter hier okay. Ich habe tatsächlich erst seit ein paar Tagen das Gefühl, dass der Knoten geplatzt ist: Mittlerweile sind mehr Leute draußen unterwegs und die Läden sind voll – das freut mich sehr.

Bei mir ist die Erleichterung über den Restart groß, aber buchstäbliche Euphorie hat sich noch nicht eingestellt. Ich habe das Gefühl, dass die Anstrengung jetzt erst so richtig bei mir ankommt. Wir haben den Lockdown zwar überwunden, aber ich fühle mich erschöpfter als vorher und meine Stimmung ist gedämpft, als befände ich mich in einem Wattebausch. So ähnlich ging es mir auch nach dem ersten Lockdown vor etwa einem Jahr.“

Mitarbeiter:innen sind geblieben

„Über die sieben Monate hinweg war es mir wichtig, die Mitarbeiter:innen zu motivieren und gute Stimmung zu machen. Mit dem Personal hatten wir echt Glück, denn es sind fast alle geblieben. Die Mitarbeiter:innen sind gut drauf und machen ihren Job super. Sie sind total motiviert. Dieses Glück hat nicht jede:r Gastronom:in, denn viele Mitarbeiter:innen haben sich in der Zwischenzeit umorientiert.“

Hat die Politik alles richtig gemacht?

Der Blitz Club Main Floor (Copyright: Jan Schünke)

„Natürlich bin ich der Politik gegenüber kritisch eingestellt, weil die Gastronomie eine der Branchen ist, die durch die Schließung hart betroffen war. Ich denke, dass der Kollateralschaden in der Gastronomie von der Politik in Kauf genommen wurde, während viele andere Branchen einfach weitermachen konnten. Man wird auch frühestens in einem Jahr sehen, ob man mit seinem Betrieb okay rausgekommen ist. Ich fand die Art und Weise, wie mit uns umgegangen ist, einfach extrem unangenehm: Wir Gastronom:innen wurden zum Beispiel nie direkt in einem Schreiben adressiert und mussten uns die ganzen Informationen aus den Medien heraussammeln. Gerade für die Clubbetreiber:innen, die seit eineinhalb Jahren Berufsverbot haben, ist es einfach total krass. Ich bin durch die Corona-Krise der Politik gegenüber wesentlich kritischer eingestellt als vorher. 

Für die nächsten Tage und Wochen wünsche ich mir weiterhin gutes Wetter und dass in die Situation eine gewisse Ruhe einkehrt. Außerdem wünsche ich mir, dass wir spätestens im Herbst auch die Clubs wieder öffnen können.“

Die Gastronomin Sandra Forster im Blitz Restaurant (Copyright: Jan Schünke)


Sandra Forster ist Köchin, Restaurantfachfrau und seit 2000 selbständige Gastronomin. In ihrer Geburtsstadt München betreibt sie die vier Gastro-Konzepte Blitz Restaurant, Kismet, Roecklplatz und Charlie Scout. In zwei der Lokalitäten führt sie zudem die Clubs Blitz und Charlie. Die umtriebige Szene-Gastronomin hat die pflanzliche Küche bereits in den 2000ern mit dem ersten veganen Restaurant Europas in München und einem pflanzenbasierten Kochbuch etabliert und gilt als Münchens bekannteste Gastronomin.

 

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