Food-Start-ups Teil II: Chickpeace schafft Perspektiven für Flüchtlingsfrauen
Food-Start-ups Teil II:
Chickpeace schafft Perspektiven für Flüchtlingsfrauen
Wie bringt man unterschiedliche Kulturen am besten zusammen? Durch gemeinsames Kochen! Das dachte sich Manuela Maurer, als sie 2016 Chickpeace gründete – ein Cateringkonzept der besonderen Art.
Abgeleitet ist der Name des Start-ups vom englischen Wort „Chickpeas“, was ins Deutsche übersetzt „Kichererbsen“ heißt. „Chick“ steht für selbstbewusste Frau und „Peace“ für Frieden. Dahinter verbirgt sich ein Cateringkonzept, für das geflüchtete Frauen arabische und afrikanische Gerichte zaubern. Da es bei vielen Gerichten lokale Unterschiede gebe und das Team genau diese Unterschiede vereint, haben die Macherinnen ihre landestypischen Rezepte standardisiert. Daraus entstanden sind 35 niedergeschriebene Rezepturen, nach denen produziert wird. „Unser Hummus etwa ist eine Synergie aus der Machart aus Damaskus und Aleppo“, sagt Maurer. Bei Chickpeace versammeln sich viele Nationalitäten: „Die meisten Frauen kommen aus Syrien. Dann gibt es noch weitere Kolleginnen aus dem Irak, dem Iran, Afghanistan, Somalia und Eritrea“, erklärt die Macherin. „Meine Vision ist das Empowerment rund um die Frau. Nicht nur eine wirtschaftliche Teilhabe, sondern auch eine auf sozialer Ebene zu ermöglichen, das ist mir wichtig“, so Maurer zu ihrer eigenen Motivation.
Von Frauen für Frauen
Begonnen hat alles mit der Kochkursreihe „Büffetbegegnungen“. Maurer engagierte sich nach dem großen Flüchtlingsstrom 2015 in einer Wohnunterkunft in Hamburg-Harburg. Die Hälfte der Bewohner:innen in der Unterkunft habe aus Familien und die andere Hälfte aus alleingereisten Frauen bestanden. „Ich wollte ein Angebot speziell für die Frauen ins Leben rufen“, sagt Maurer. Also stellte sie die Kochveranstaltungen auf die Beine. „Das war sozusagen das Erstprojekt, das den Stein ins Rollen gebracht hat“, sagt die Initiatorin. Im Rahmen dieses Projekts trafen sich fünf geflüchtete Frauen und fünf Hamburgerinnen aus der Nachbarschaft, um gemeinsam zu kochen, Kontakte zueinander zu knüpfen und ins Gespräch zu kommen. Auf den Tisch kamen abwechselnd die landestypischen Gerichte der geflüchteten Frauen und der Hanseatinnen.
Vom Kochkurs zum Catering
Dieser interkulturelle, kulinarische Austausch lief eineinhalb Jahre und ging schließlich in das Cateringkonzept Chickpeace über. Mittlerweile besteht das Team aus 50 Kolleginnen. Aus dem sozialen Projekt ist ein wirtschaftliches Unternehmen geworden. „Wir haben eine Produktionsküche in einem Hamburger Restaurant und nehmen Catering-Aufträge an. Ist so ein Auftrag reingekommen, dann geht die Planung ins Team. Die Frauen organisieren ganz autark, ohne mein Zutun, die komplette Ressourcen- und Zeitplanung“, sagt die Gründerin.
„Der Einstieg ist niedrigschwellig“
Doch wie finden geflüchtete Frauen Zugang zum Projekt? „Der Einstieg ist sehr niedrigschwellig: Hat eine geflüchtete Frau Interesse, sich bei Chickpeace zu beteiligen, dann ist sie grundsätzlich erstmal willkommen. Die Tätigkeit lässt sich dann stufenweise aufbauen, beginnend beim Minijob, der nächste Schritt ist dann die Teilzeit, anschließend ein 30-Wochenstunden-Modell und letztendlich der Vollzeitjob“, erklärt die Macherin. Eigentlich wäre der Übertritt der ersten Kollegin in die Vollzeitbeschäftigung zum 1. Oktober geplant gewesen. Doch momentan müssen sich die Macherinnen erst einmal um eine neue Produktionsstätte bemühen, da die Restaurantküche, in der sie untergekommen waren, nun wieder voll ausgelastet ist. „Chickpeace geht also jetzt in einen frühen Winterschlaf und sucht unter Hochdruck ein neues Zuhause. Wir hoffen, dass wir das Weihnachtsgeschäft schon wieder mit eigenem Dach über dem Kopf machen können“, sagt Maurer.
Solidarisches Gleichstellungsprinzip: jede erhält den gleichen Lohn
Auch am Lohnmodell feilen die Chickpeace-Macherinnen fleißig: „Zurzeit läuft bei uns noch ein totales Gleichstellungsprinzip: egal, wer was macht – es bekommt jede den gleichen Lohn. Das bedeutet Mindestlohn plus Erstattung der Fahrtkosten“, erklärt Maurer. Perspektivisch gesehen möchte man sich aber an den in der Gastro-Branche üblichen Lohnstaffelungen orientieren, angefangen beim Mindestlohn für eine Küchenhilfe, übergehend zu 12 Euro die Stunde. „Wir wollen dahinkommen, dem festen Team den üblichen Lohn von 15 Euro pro Stunde, den auch ausgebildete Köch:innen bekommen, zu zahlen. Das ist das Entwicklungsmodell, das wir anstreben“, sagt Maurer.
„Chickpeace bietet Frauen mit Fluchtgeschichte Perspektiven“
Trägerin des Projekts ist Ponton 3 e. V., ein Verein für soziale Projekte, dessen Geschäftsführerin Maurer ist. Da sich Chickpeace in Hamburg so gut bewährt habe, möchten die Macherinnen das Konzept auch in andere deutsche Städte und Bundesländer tragen: „Wir glauben sehr an das Potenzial von Chickpeace. Es bietet Frauen mit Fluchtgeschichte Perspektiven. Seit einigen Wochen arbeiten wir deshalb an einem Handbuch und schreiben das Konzept nieder, um einen Leitfaden zu bieten für andere Standorte“, sagt die Initiatorin. Außerdem möchte sie ergänzend zum Cateringgeschäft Afterwork-Sprachclubs initiieren. Das sei schon früher in Planung gewesen, war bisher aber aufgrund der Corona-Problematik nicht umsetzbar. Schließlich tüfteln die Chickpeace-Frauen derzeit an einem eigenen Catering-Lieferdienst, der die Speisen und das Equipment zu den Feierlichkeiten fährt, aufbaut und am nächsten Tag wieder abholt.