Jahresrückblick Teil II: Das war 2022!

Jahresrückblick Teil II: Das war 2022!

kollex blickt zurück auf das Jahr 2022. (Copyright: Myriams-Fotos on pixabay.com)


kollex blickt mit euch zurück und nach vorne. Die zweite Jahreshälfte brachte der Gastro-Branche zum Glück keine erneute Corona-Welle, dafür aber viele Unsicherheiten aufgrund steigender Preise. Plus: Darauf können sich Wirt:innen im nächsten Jahr einstellen.

Juli 

  • Künstliche Intelligenz nimmt Reservierungen an: Bei den britischen Beefeater-Restaurants der Whitbread PLC wird künftig ein Digital Host Anrufe von Gäst:innen beantworten. PolyAI, der Anbieter des Sprachassistenten erklärt, dass der Whitbread Digital Host mit den Kund:innen auf natürliche Art sprechen und fließende Unterhaltungen führen könne. Selbst Anrufer:innen mit den stärksten regionalen Akzenten könne er verstehen, versichert PolyAI.

  • Scholz schließt Lockdown wie in den vergangenen Jahren aus: Im ARD-Sommer-Interview sagte er: „Schulschließungen sollte es nicht mehr geben, und ich glaube auch nicht, dass wir so einen Lockdown brauchen, wie wir ihn in den letzten Jahren hatten“.

  • Reaktion auf steigende Energiepreise: Das Hearts Hotel in Braunlage geht jetzt mit einer kreativen Idee an den Start: Bis Ende August wird die Abendküche komplett nach draußen verlegt – gekocht wird energiesparend auf einer speziellen Feuerstelle mit Buchenholz.

  • Gastronom Marc Uebelherr und Küchenchef Tohru Nakamura beleben die historische Münchener Schreiberei mit gleich zwei Konzepten: Auf das Zwei-Sterne-Restaurant „Tohru in der Schreiberei“ folgt jetzt das Casual-Konzept „Schreiberei“ im Erdgeschoss des Gebäudes. 

EsS-Bahn (Copyright: Wöllhaf Gastroservice GmbH)

  • Schließungen in Frankfurt: Das Steigenberger-Hotel Frankfurter Hof schließt Ende Juli seine gastronomischen Konzepte. Das betrifftdas Sternerestaurant „Français“ und die Brasserie „Oscars“. Das Team des Frankfurter Hofs wolle sich neu ausrichten. 

  • Berliner Kult-Currywurst-Bude wiederbelebt: Die EsS-Bahn vor dem Terminal 1 am Flughafen Tegel ist wieder da – nach mehr als zwanzig Jahren nun als Imbiss-Trailer. Statt im S-Bahnwagen gibt es die EsS-Bahn jetzt im Schienenersatzverkehr und im Food-Truck-Design.


August

  • Lieferando eröffnet in Berlin ein eigenes Warenlager. Damit steigt der Essenslieferdienst vorsichtig in den Quick Commerce ein und konkurriert dort mit Diensten wie Gorillas und Flink.

  • Eine geräuschvolle Debatte um Trinkgelder in der Gastronomie entbrennt: Die TV-Journalistin Anja Reschke löst den Diskurs mit einem Beitrag auf Twitter aus. Sie kritisiert die angeblich unterentwickelte Trinkgeld-Kultur in Deutschland. Auch Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) äußerte sich kritisch.

  • Lebensmittel auf Tiktok kaufen? Das können Brit:innen jetzt. Bei den Produkten handelt es sich um Kochboxen der Anbieter Pasta Evangelists, The Veg Box Company und The Fish Society.

  • In Bayern wird über „Schanigärten“ diskutiert. Gemeint ist die Ausweitung gastronomischer Außenflächen auf Bürgersteige, Parkplätze und Ähnliches. Dies war während der Pandemie vorübergehend gestattet. Die aus der Not geborenen „Schanigärten“ könnten in vielen bayerischen Städten über die Pandemie hinaus zur Dauereinrichtung werden, denn sie bereicherten das urbane Leben, so die Befürworter:innen.

Essenslieferung per Drohne: Droona (Copyright: Foodora)

  • Essenslieferung per Drohne – das wird gerade in Schweden ausgetestet. Die Lieferdrohne „Droona“ wird mit Fast Food von McDonald's beladen und fliegt zu einem Strandbad mit Landeplatz bei Stockholm. Sie wird vom Telekom-Konzern „Telia“ und dem Schnelllieferservice „Foodora“ betrieben. 

  • Rindfleisch aus Argentinien, Tomatenmark aus Sizilien, Salat von nebenan: Ein britisches Restaurant macht sich die Mühe und gibt auf seiner Speisekarte den CO2-Fußabdruck eines jeden Gerichtes an

  • Berlin ist nicht Döner-Hauptstadt. Lieferando hat in einem Ranking aufgestellt, in welcher Stadt das Angebot am besten ist – wenn man die Imbiss-Dichte, den Preis und die Bewertungen im Internet als Maßstäbe anlegt. Dresden geht als überraschende Siegerstadt hervor, darauf folgen Nürnberg, Berlin, Bremen und Frankfurt am Main.


September

  • Die beste Barkeeperin der Welt kommt aus Deutschland: Linh Nguyen von der 360° Bar und Lounge im Hotel Vila Vita Rosenpark in Marburg gewinnt den Lady Amarena International Wettbewerb. In Bologna treten jedes Jahr Barkeeperinnen aus 16 Nationen gegeneinander an.

Linh Nguyen ist die beste Barkeeperin der Welt. (Copyright: Philip Flowers)

  • Das niederländische Konzept „laboratorio artigianale“ eröffnet mit der „Spaghetteria Berlin“ seinen ersten deutschen Standort.

  • Die Inflation ist auf dem höchsten Stand seit 70 Jahren, Lebensmittel- und Energiepreise sind ebenfalls sehr hoch. Viele Gastronom:innen müssen ihre Mehrkosten schweren Herzens auf die Kund:innen übertragen.


Oktober

  • Der Mindestlohn steigt auf 12 Euro.

  • O’zapft is: Das Oktoberfest fand nach zwei Jahren pandemiebedingter Pause wieder statt – mit weniger Besucher:innen als üblich und ohne Corona-Beschränkungen. Bei Nässe und Kälte kamen zur ersten Wiesn nach zwei Jahren laut Festleitung rund 5,7 Millionen Besucher – mehr als eine halbe Million weniger als bei der letzten Wiesn vor der Pandemie im Jahr 2019. Damals waren es 6,3 Millionen. Im Anschluss an die Wiesn steigt die Inzidenz in München auf ein Rekordhoch.

Veganer Burger von NIC (Copyright: deryn-macey-unsplash)

  • „NIC“ – so heißt das erste vegane Burger-Restaurant des Hoteliers und Gastronomen Holger Hutmacher. Es öffnet am 4. Oktober im Stuttgarter Einkaufszentrum Milaneo. Im Dezember kommt in Karlsruhe ein weiterer NIC-Standort hinzu. Danach ist ein bundesweites Roll-out des Konzepts geplant.  

  • Die Berlin Food Week geht vom 10. bis 16. Oktober an den Start. Das Festival zieht sich aber längst über die Hauptstadt hinaus: Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München und Stuttgart zählen ebenfalls zu den Schauplätzen. Rund 60 Restaurants stellen ihr Wochenmenü oder -Gericht unter das Motto „Vom Rinde verweht“. Bei den servierten Gerichten dreht sich dann alles um alternative Proteinquellen sowie Fleischersatzprodukte.

  • In einem abgelegenen Landgasthof im Sauerland wagt ein Wirt etwas Neues. Er hat das erste alkoholfreie Restaurant der Region eröffnet – und wohl auch landesweit. Damit springt er auf einen Trend auf und serviert seinen Gäst:innen alkoholfreien Wein, Bier und Fassbrausen. Ein Grund für den Schritt sei auch, dass die meisten Gäst:innen mit dem Auto in die entlegene Gaststätte fahren würden. 


November


Anton Schmaus in seinem neuen Weinladen “Tipsy” (Copyright: Rainer Fleischmann Photographie)

  • Sternekoch Anton Schmaus eröffnet einen bunten Weinladen “Tipsy” direkt neben seinem Fusion-Restaurant „Sticky Fingers“ in Regensburg.

  • Fleisch aus dem Labor wird erstmals zugelassen: Die US-Regulierungsbehörde FDA ebnet den Weg für den Verkauf von kultiviertem Hühnerfleisch. Eine historische Entscheidung und ein Signal für Europa. Durch die Kultivierung von Hühnerfleisch können gegenüber Fleisch aus der Hühnerhaltung bis zu 17 Prozent Treibhausgasemissionen eingespart werden, erläutert das Good Food Institut.

  • Wer bei „Otto’s Burger“ Fleisch will, muss es explizit bestellen und einen Aufpreis zahlen. Das Better-Burger-Format der Gustoso Gruppe stellt seine Karte um und gibt Burger standardmäßig nur noch mit Fleischersatz-Pattys raus. 

  • In Alfons Schuhbecks Restaurants gehen die Lichter aus. Jetzt wird das leerstehende Münchner Restaurant „Orlando“ in „Ornella“ umbenannt und von drei bekannten Gesichtern übernommen: Uli Springer und Dino Klemencic, die gemeinsam bereits die Gastronomie im Literaturhaus sowie die Restaurants Koi und Rocco Riviera betreiben, und Friedemann Findeis, einer der L’Osteria-Chefs, hauchen dem Restaurant neues Leben ein. Im „Ornella“ soll künftig Mediterranes mit japanischem Twist serviert werden.

  • Die Fußball-WM in Katar startet am 20. November. Viele Gastronom:innen entscheiden sich aus politischen Gründen dagegen, die Spiele auszustrahlen. Auch die großen Public Viewings entfallen größtenteils. Viele wollen mit der Absage ein Zeichen setzen – gegen die problematische Menschenrechtslage im Gastgeberland.


Dezember

Frankfurter Sternekoch Andreas Krolik (Copyright: Markus Bassler)

  • Gewinn für die Branche: Der DEHOGA eröffnet einen neuen Ausbildungs-Campus und eine Akademie. In Bad Überkingen will der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband in gastgewerblichen Berufen ausbilden. 

  • Einige Gastronom:innen blicken besorgt auf das anstehende Weihnachtsgeschäft. Laut einer DEHOGA-Umfrage liegt die Buchungsauslastung unter dem Vor-Pandemie-Niveau von 2019. Ein Drittel der befragten Gastronom:innen ist jedoch zufrieden mit der Buchungslage, ein weiteres Drittel befindet sie als befriedigend. 

  • Forbes zeichnet den Frankfurter Sternekoch aus: Laut dem US-Magazin zählt das Zwei-Sterne-Restaurant „Lafleur“, hinter dessen Herd Andreas Krolik steht, zu den zehn „coolsten Restaurants 2023“. 

  • Mehrweg spielt auf Weihnachtsmärkten eine große Rolle: Der Alt-Rixdorfer Weihnachtsmarkt in Berlin Neukölln ist von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) für sein vorbildliches Mehrwegkonzept ausgezeichnet worden. Jährlich vermeidet die dreitägige Veranstaltung dadurch offenbar rund 1,2 Tonnen Verpackungsmüll. 

  • Die Reservierungsplattform Open Table hat wieder eine Top-50-Liste der beliebtesten Restaurants seiner User erstellt – anhand der Bewertungen. Am liebsten scheinen die Open Table-Nutzer:innen in Hamburg essen zu gehen – oder die Buchungsplattform ist dort besonders verbreitet: Gleich 14 der 50 besten auf der Liste liegen in der Hansestadt. 

  • Die beliebte Kult-Bar „Jimmy’s Bar“ in Frankfurt am Main wird wiederbelebt. Ende 2020 schloss das Grandhotel Hessischer Hof, in dem sich die Bar befindet, seine Türen – als wirtschaftliche Folge der Corona-Pandemie. Jetzt steht fest: Das Hotel wurde von der Hessischen Hausstiftung an Peakside Capital verkauft. Der Immobilien-Investment-Manager plant das Traditionshaus nach Renovierung wiederzueröffnen. Und damit auch „Jimmy’s Bar“. Bis es soweit ist, wird die Bar vorübergehend von der Gekko Group betrieben. 

  • Uber Eats hat sein Expansionsziel geschafft: Im März verkündete das Unternehmen, bis zum Jahresende in insgesamt 60 deutschen Städten vertreten sein zu wollen. Laut einer Übersicht auf der Website ist der Dienst nun in 64 deutschen Städten vertreten. Um diese Zahl zu erreichen, wich das Unternehmen aber von der bisherigen Strategie ab. Denn in allen sechs neuen Städten (Erfurt, Erlangen, Freiburg im Breisgau, Kassel, Lübeck und Rostock) übernehmen die Restaurants die Auslieferung selbst. Normalerweise erfolgt die Lieferung in den meisten Uber Eats-Städten über lokale Lieferfirmen und deren angestellte Kurier:innen.

  • Zum Jahresende eröffnet Manifesto Market den größten Food Hub Europas am Potsdamer Platz in Berlin. 


Copyright: Holden Baxter on unsplash.com

Was bringt 2023?

  • Das neue Jahr beginnt gleich mit einem großen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit: Ab dem 1. Januar gilt die gesetzlich vorgeschriebene Mehrweg-Angebots-Pflicht. Die Deutsche Bahn etwa hat bereits angekündigt, dass sie Passagier:innen Porzellangeschirr anbieten werde, andere Unternehmen arbeiten mit Mehrweg-Systemen wie Vytal oder Recup & Rebowl zusammen. Die EU-Kommission will Verpackungsmüll in Europa bis 2040 deutlich reduzieren. Bis 2030 sollen alle Verpackungen komplett recycelbar sein. An Mehrweg oder Recyceln führt also kein Weg mehr vorbei. 

  • Es ist auch in Zukunft zu erwarten, dass das Nachhaltigkeitsbewusstsein der Gäst:innen immer mehr geschärft wird. Pflanzliche Fleischalternativen aus Proteinen und Transparenz bezüglich der Zutaten werden weiterhin groß nachgefragt sein. Es ist also höchste Zeit, über Fleisch-Ersatzprodukte und die Kennzeichnung der CO2-Bilanz von Gerichten in der Speisekarte nachzudenken. Ein weiterer interessanter Aspekt, der noch etwas weiter entfernt vom Einsatz in der Praxis ist, ist im Labor gezüchtetes Fleisch. Durch die Entnahme von Muskelstammzellen am lebenden Tier wird per In-Vitro-Verfahren Gewebe gezüchtet. In den USA wurde jetzt erstmals kultiviertes Hühnerfleisch zugelassen.

  • Eine eher beunruhigende Entwicklung, die sich auch durch das Jahr 2023 ziehen wird, ist die Tendenz weg vom Tagesgeschäft hin zum reinen Veranstaltungsgeschäft. Bleibend hohe Energiekosten und Inflation machen es Gastronom:innen schwer. Einige haben sich bereits jetzt dazu entschieden, ihre Konzepte aufs weitaus profitablere und besser zu kalkulierende Event-Business umzustellen. Für die Attraktivität urbaner Flächen und Laufkundschaft ist das von Nachteil.

  • In Zeiten des Personalmangels können sich Gastronom:innen auch anhand Künstlicher Intelligenz behelfen: Roboter werkeln hinter der Bar, servieren am Tisch, Sprachassistenten gehen ans Telefon, nehmen Reservierungen an und beantworten Fragen zum Konzept. All das kann die heutige Technik leisten. Ein weiterer Pluspunkt: Der Einsatz von Robotern übt eine Faszination auf Gäst:innen aus und kann zur Attraktion werden.

  • Zudem werden digitale Bezahlmethoden immer wichtiger – auch wenn die Deutschen nach wie vor am liebsten bar bezahlen. Wer etwa seine Speisekarte bereits anhand eines QR-Codes digitalisiert hat, könnte in Zukunft möglicherweise auch den Bezahlvorgang darüber abwickeln. 

Was auch kommen mag, kollex blickt optimistisch in die Zukunft und wünscht einen guten Rutsch ins neue Jahr!

 

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