Mirko Silz von L’Osteria im Interview: „Sperrstunden und 2Gplus kommen einem Lockdown gleich“
Mirko Silz von L’Osteria im Interview: „Sperrstunden und 2Gplus kommen einem Lockdown gleich“
Der Geschäftsführer der Italo-Kette „L’Osteria“, Mirko Silz, ist auch Mitglied der Initiative „Gastgeberkreis“. Warum sie sich gegen 2Gplus ausspricht, erklärt er im Interview.
kollex: Herr Silz, wie geht es Ihnen und Ihrem Unternehmen in der derzeitigen Lage?
Mirko Silz: Grundsätzlich den Umständen entsprechend gut: Wir stehen weitgehend stabil! Der Sommer lief für uns sehr gut. Sobald die Gäste wieder kommen durften, kamen sie auch zahlreich. In der Zeit von April bis Oktober 2021 konnten wir sogar 19 neue Restaurants eröffnen – ein Eröffnungsrekord für uns. Dennoch blicken auch wir mit einer gewissen Skepsis auf die kommenden Wochen.
Die pandemische Lage hat sich in den letzten Wochen zugespitzt. Um die Situation in den Griff zu bekommen, haben viele Bundesländer eigene Regelungen getroffen. Wie werden die sich unterscheidenden Bestimmungen von Gastronom:innen und Gästen angenommen?
Der erneute Flickenteppich an Regelungen ist nicht nur für uns eine Herausforderung, sondern sorgt auch bei den Gästen für Verwirrung, die sich dann vielleicht doch lieber zu Hause mit Freunden oder der Familie treffen. Und mit ausbleibenden Gästen steigt auch wieder die Verunsicherung unter den Mitarbeitenden, die die Gastronomie-Branche in den letzten Monaten gerade erst wieder mühsam zurückgewinnen konnte.
Durch das neue Infektionsschutzgesetz ist es Bundesländern, die besonders von der Corona-Pandemie betroffen sind, möglich, Gastronomie und Freizeiteinrichtungen zu schließen. Finden Sie das gerechtfertigt?
Die Gastronomie ist seit Beginn der Pandemie stets ein Sonderopfer und wird nun erneut vor schwere Herausforderungen und Entscheidungen gestellt. Ich bin es wirklich leid, dass wir in der Gastronomie stets die Ersten sind, die unter neuen Maßnahmen beziehungsweise Beschlüssen zu leiden haben.
Mehrere Studien belegen, dass die klassische, sitzplatzbezogene Gastronomie keine Pandemietreiberin ist. Berücksichtigt die Politik diese Faktenlage, Ihrer Meinung nach, zu wenig?
Es gibt einige Ungleichbehandlungen seitens der Politik, die sich gegenüber unseren Mitarbeitenden kaum erklären lassen: Wie kann es beispielsweise sein, dass Betriebskantinen von Ungeimpften mit einem Test besucht werden dürfen, während in der Gastronomie selbst Geimpfte einen Test vorweisen (2Gplus) müssen?
In einem offenen Brief hat sich der Gasteberkreis gegen eine Anwendung der 2Gplus-Regelung in der Gastronomie ausgesprochen. 2G hingegen befürwortet die Initiative. Worin besteht für Sie der prägnante Unterschied, der zu dieser Bewertung führt?
Die Einführung von Sperrstunden sowie 2Gplus (geimpft oder genesen und zusätzlich aktueller Testnachweis) kommt für die Gastronomie-Branche einem Lockdown gleich und ruft eine erneute wirtschaftliche Katastrophe für die Gastronomie hervor. Die Hürde bei 2Gplus ist für geimpfte beziehungsweise genesene Gäste schlichtweg zu hoch. Hinzu kommt die steigende Verunsicherung der Gäste und damit auch Mitarbeitende. In den von 2Gplus betroffenen Regionen verzeichnen wir bereits jetzt erhebliche Umsatzrückgänge.
In dem offenen Brief argumentiert der Gastgeberkreis außerdem, dass vielen Gästen der Aufwand zu hoch wäre, vor dem Restaurantbesuch einen Test zu machen. Würde dies nicht viel eher ein Sicherheitsgefühl vermitteln und Gäste gegebenenfalls sogar in ihrem Vorhaben, in ein Restaurant einzukehren, bestärken?
Die derzeitige Lage der Corona-Pandemie als sogenannte vierte Welle ist sehr ernst zu nehmen. Dabei hat die Gesundheit unserer Mitarbeitenden sowie Gäste für uns stets oberste Priorität und deshalb begrüßen wir erst mal grundsätzlich die flächendeckende 2G-Regelung. Die sitzplatzbezogene Gastronomie ist aufgrund von etablierten Hygiene-Konzepten, der nötigen Abstandswahrung zu anderen Gästen, Lüftungssystemen und der Möglichkeit der Kontaktdatennachverfolgung ein sicherer Ort. Dieses Feedback haben wir auch von unseren Gästen gespiegelt bekommen.
Was können Gastronom:innen konkret tun, um ihre Mitarbeitenden und ihre Betriebe in der Krise abzusichern?
Sicherlich stehen unterschiedliche Gastronomen vor unterschiedlichen Herausforderungen. Ich kann hier allerdings nur für uns als L’Osteria sprechen und wir werden alles daran setzen, unsere Restaurants auch bei 2Gplus so lange wie möglich offen zu halten und unternehmerisch zu arbeiten, um so wenig Mitarbeitende wie möglich in Kurzarbeit schicken zu müssen – das sind wir unseren Mitarbeitenden schuldig. Dabei setzten wir, wie bereits zu Beginn der Pandemie, mit unserem eigenen Lieferservice auf innovative Ideen, um die Außerhaus-Umsätze zu steigern. Wir wollen wirtschaftlich arbeiten, den Schaden so gering wie möglich halten und sehen Wirtschaftshilfen nur als letztes Mittel.
Der Gastgeberkreis fordert, dass den Betrieben im Ernstfall sofort 80 Prozent Kurzarbeitergeld gezahlt werden müsste. Für wie realistisch halten Sie es, dass diese Forderung durchkommt und wird die Situation, Ihrer Einschätzung nach, nochmal dermaßen ernst?
Verfolgt man die aktuelle Berichterstattung rund um die Anpassung des Infektionsschutzgesetzes und beachtet man, dass wir in manchen Regionen Bayerns sowie in Österreich bereits von einem Lockdown betroffen waren, halte ich es für wahrscheinlich, dass es nochmals zu einer derartigen Situation kommt – wenngleich nicht in dem Umfang und der Dauer des letzten Lockdowns. Umso wichtiger ist es, die Existenzen unserer Mitarbeitenden zu schützen. Vertraut man der aktuellen Berichterstattung zum Inhalt des neuen Infektionsschutzgesetzes, dann sieht es sehr positiv für unsere Forderung aus: „Ein Aufstocken des schon bis Ende März verlängerten Kurzarbeitergelds soll ermöglicht werden. Demnach sollen ab dem vierten Bezugsmonat 70 Prozent der Nettoentgeltdifferenz gezahlt werden - wenn ein Kind im Haushalt lebt, 77 Prozent. Ab dem siebten Bezugsmonat sind 80 und mit Kind 87 Prozent geplant. Dies soll für Beschäftigte gelten, die bis zum 31. März 2021 während der Pandemie einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld hatten. Außerdem sollen die Beschäftigten, die seit April 2021 erstmals in Kurzarbeit gegangen sind, für die Zeit von Januar bis März 2022 einen Anspruch auf die erhöhten Leistungssätze erhalten.“ (Mehr dazu unter: Infektionsschutzgesetz: Diese Änderungen kommen aufs Gastgewerbe zu (food-service.de) – Anmerkung der Redaktion)
Mirko Silz ist 1972 in Leipzig geboren. Nach seiner Ausbildung zum Kaufmann für Groß- und Außenhandel führte ihn sein Weg 1991 in die Systemgastronomie. Erste Station war McDonalds, wo er bis 2005 in verschiedenen Managementpositionen in Leipzig, Dortmund und Bonn tätig war. 2006 wurde er CEO der Vapiano SE und entwickelte das Unternehmen bis 2011 weiter. Von 2014 bis 2017 führte er zusammen mit seiner Frau als Franchisepartner der Marke L’Osteria zwei eigene Restaurants in Dresden. In dieser Zeit fungierte er zudem als CEO der Coa GmbH. Seit 2016 konzentriert er sich vollkommen auf L’Osteria.