Nachhaltigkeit vor der Haustür – 10 Local Exotics
Nachhaltigkeit vor der Haustür – 10 Local Exotics
Für eine bessere Co²-Bilanz: Kaviar, Quinoa, Kobe Beef & Co. müssen nicht mehr aus Übersee importiert werden. kollex stellt zehn Züchter:innen vor, die Exotisches hier anbauen, um lange Transportwege einzusparen.
Spannendes Superfood, nachhaltige Zutaten, geringer ökologischer Fußabdruck – das erwarten die meisten Gäste, wenn sie in Speisekarten blicken. Wie können Gastronom:innen dem nachkommen, ohne Produkte von weit her zu importieren? „Local Exotics“ heißt der Trend, den vor allem österreichische Pionier:innen aufgegriffen haben: Exotische Produkte werden in der Region angebaut und lokal verkauft. Diese edlen und ausgefallenen Produkte werden ganz in der Nähe erzeugt:
Quinoa aus dem Rheinland
2019 haben sich die „Feldhelden Rheinland“ gegründet, um mit regional und nachhaltig angebauten Lebensmitteln CO²- Emissionen zu reduzieren. Hinter dem Unternehmen stehen Johannes, Thomas und Verena Decker. Deren Familie lebt und arbeitet seit über 200 Jahren auf einem Bauernhof in Pulheim bei Köln. Wo sonst deutsches Gemüse angebaut wird, haben sich die Deckers auf Quinoa spezialisiert. „Kinoa“ bezeichnen sie ihr Produkt. Das leitet sich von „Quinoa aus Köln“ ab. Eigentlich stammt das Pseudogetreide aus der Andenregion Südamerikas, wo es seit etwa 6000 Jahren als wichtiges Grundnahrungsmittel zählt. Im Rheinland bauen die Deckers ihren „Kinoa“ ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bei nachhaltiger Bodenbewirtschaftung an und unterstützen die lokale Biodiversität mit Blühstreifen – darunter versteht man mit Saatgut meist bunt blühende Pflanzenarten eingesäte Streifen Land, die sich oft am Rande von Äckern befinden. Verkauft wird der rheinländische Quinoa in regionalen Rewe-Märkten und Unverpackt-Läden, aber auch von Großhändlern und Lieferdiensten. Eine Übersicht gibt es hier.
Meeresfische aus der Steiermark
Michael Wesonig ist kein Befürworter von Fischen aus Wildfang, denn das führt tendenziell zu Überfischung der noch existierenden Bestände und Aquakulturen im offenen Meer. Zudem nehmen diese Fische Verschmutzungen im Wasser auf und konventionelle Fischzuchten zerstören wiederum ihr eigenes Biotop. Deshalb betreibt Wesonig in seiner Heimat, der Steiermark, „Urban Fish Farming“. Darunter versteht man künstlich angelegte Aquakulturen. Mitten in den Bergen und fernab des Meeres züchtet er also Salzwasserfische. Dafür hat er in einer ehemaligen Tischlerei im österreichischen Weiz Salzwasserbecken angelegt, in denen sich Garnelen und Wolfsbarsche tummeln. „Michi‘s frische Fische“ heißt sein Unternehmen, das auch Süßwasserfische wie Zander, Wels und Saibling in natürlichem Gebirgsquellwasser gedeihen lässt.
Kaviar aus Schleswig-Holstein und der Steiermark
Die Delikatesse wird größtenteils von den Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres gewonnen. Doch auch in Deutschland und Österreich gibt es eine Handvoll Anlagen, in denen sibirische Störe und Sterlets edlen Kaviar erzeugen. Natürliche Vorkommen in Mitteleuropa gibt es nicht mehr: Früher plätscherte der europäische Stör mal durch Rhein, Elbe, Donau & Co. Er gilt jedoch seit 1968 als ausgestorben. Aber im Naturpark Aukrug in Schleswig-Holstein züchtet das seit 1869 bestehende Traditionsunternehmen „Dieckmann & Hansen“ sibirische Störe, Belugas und Osietras. Nach der langjährigen Aufzucht der Fische entnimmt man ihnen die Eier, verarbeitet sie zur kostbaren Delikatesse und verkauft sie im Geschäft am Hamburger Fischmarkt. Dabei bleibt es aber nicht, denn dieser Kaviar wird auch in die ganze Welt veräußert – wodurch er höchstens noch für norddeutsche Käufer:innen arm an CO²-Emissionen bleibt. Weiter südlich wird im oberösterreichischen Steyrling ebenfalls sibirischer Stör, Osietra und Sterling gezüchtet. „Alpenkaviar“ nennt der Erzeuger sein Produkt. Am Rande des Nationalparks Kalkalpen schwimmen die Fische in klarem Gebirgswasser aus eigener Quelle. Österreichische Gourmetrestaurants und Feinkostläden beziehen den „Alpenkaviar“. Verkauft wird jedoch nicht nur der Kaviar, sondern auch das geräucherte Störfleisch, die Schwimmblasen und Häute. Die dann noch anfallenden Fischreste werden in Hundefutter verarbeitet.
Ingwer aus dem Burgenland
In Wallern im burgenländischen Seewinkel bauen Landwirt:innen Ingwer aus kontrolliert biologischer Landwirtschaft an – also ohne den Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln und gentechnikfrei. Die scharfe Wurzel stammt ursprünglich aus Asien. Der handelsübliche Ingwer wird in der Regel in China oder Peru kultiviert und legt somit weite Wege in europäische Märkte zurück. Wie herausfordernd ist der Anbau des asiatischen Gewächses in Europa? Ingwer benötigt eigentlich viele warme Monate, um zu gedeihen – daher ist der Anbau in Österreich stark vom Wetter abhängig. Ab Mitte April, wenn es in den Nächten nicht mehr kälter als 14 Grad Celsius wird, stecken die Ingwer-Bauern und -Bäuerinnen Jungpflanzen in warmen sandigen Boden. Die Ernte beginnt Anfang Oktober, da die Ingwerknollen zum Schluss, wenn die Temperaturen in den Nächten sinken, noch an Gewicht zunehmen. Im Gegensatz zum peruanischen oder chinesischen Ingwer ist die Haut des österreichischen Ingwers weißlich-beige – da er keine lange Lagerzeit hinter sich hat. Der junge Ingwer soll auch viel intensiver im Geschmack und in der Schärfe sein. Verkauft wird der Bio-Ingwer in österreichischen Billa-Supermärkten.
Wasabi aus dem Burgenland
Das Start-up PhytonIQ kombiniert automatisiertes Indoor Farming mit dem Handwerk einer Manufaktur. So baut es unter anderem Wasabi im Südburgenland an und verarbeitet ihn zu Pulver. Auf hiesigen Tellern landet meist eine grün eingefärbte Meerettichpaste, die mit echtem Wasabi wenig zu tun hat. Denn echter Wasabi ist teuer, ein Kilogramm kostet in etwa 540 Euro. Zudem braucht er an die 24 Monate um zu reifen und wächst wild am Ufer von Flüssen und Bächen in Japan. Der Kreuzblütler braucht ein nicht zu warmes und nicht zu kühles Klima, am liebsten hat er es zwischen 8 °C und 20 °C warm. Und, er mag auch kein direktes Sonnenlicht. All das limitiert die Anbaugebiete für Wasabi auf dieser Welt erheblich. Darum ist Wasabi so rar und teuer und gehört wie Kaviar, zu den teuersten Lebensmitteln der Welt. In seiner Indoor-Farm kultiviert das Unternehmen mittlerweile an die nachhaltig angebaute 50.000 Wasabi-Pflanzen.