Sternekoch Ricky Saward im Interview: Vegane Weihnacht, aber wie?

Sternekoch Ricky Saward im Interview: Vegane Weihnacht, aber wie?

Veganer Sternekoch Ricky Saward (Copyright: Seven Swans)

Wie wäre es mal mit fleischloser Weihnacht? Ricky Saward betreibt mit dem Seven Swans in Frankfurt am Main das weltweit einzige vegane Sternrestaurant. Er verrät, wie Gemüse festlich geht.

Aufgezeichnet von: Katrin Börsch

kollex: Ricky, du bist kürzlich vom Chef de Cuisine zum Gesellschafter aufgestiegen, stehst aber trotzdem weiterhin am Herd des Seven Swans. Bereits vor einem Jahr wurde angekündigt, dass es eine Veränderung geben werde. In einer Mitteilung wurde mit dem Thema Tod gespielt. Die Presse hat über die Schließung des Restaurants gemutmaßt. Kürzlich kam dann die Nachricht, dass es doch weiter geht. War also alles nur ein PR-Gag? 

Ricky Saward: Vor einem Jahr stand noch nicht fest, was mit dem Seven Swans passieren würde. Der Investor stand nicht mehr ganz hinter dem Projekt, weil er sich eher auf Easy Food Geschichten konzentrieren möchte. Dann haben wir beschlossen, dass wir das Ganze beenden werden. Es war also kein PR-Gag, sondern zunächst purer Ernst. Übers Jahr hinweg standen wir aber in engem Austausch und haben letztendlich beschlossen, dass es weitergehen wird, auch wegen des veganen Sterns, der unser weltweites Alleinstellungsmerkmal ist.

Nun steht Weihnachten vor der Tür und das Seven Swans muss, genauso wie alle anderen gastronomischen und kulturellen Betriebe, geschlossen bleiben. Was stand denn im letzten Jahr zu dieser Zeit Festliches auf der Karte? 

Klassisches Wintergemüse mit viel Power, zum Beispiel Rotkohl. Nach meinem Rezept zubereitet, schmeckt er unglaublich intensiv – so hat man ihn noch nie gegessen!

Wie könnte ein Bratenersatz aussehen?

Mit Ersatzprodukten ist heutzutage alles möglich. Es gibt Sojaproteine wie Seitan und Tofu. Das kann man verwenden, ist ziemlich simpel und am Ende schmeckt das Ganze dann nach Hackbraten. Aber ich bin ein Freund der ehrlichen, veganen, regionalen Küche und arbeite, der Nachhaltigkeit wegen, ohne Produkte aus Übersee. Wenn wir doch alles vor der Tür haben und alles erreichbar ist, warum muss ich dann auf Tofu zurückgreifen? Natürlich ist das eine super Alternative für Leute, die kein Fleisch essen wollen. Für mich ist der Nachhaltigkeitsaspekt aber noch ein bisschen wichtiger.

Das heißt, bei dir kommen Seitan, Tempeh, Tofu & Co. nicht in die Küche?

Richtig. 

Du verzichtest also auf den Braten und lässt den Rotkohl die Hauptrolle spielen. Ist das überhaupt noch ein klassisches Weihnachtsessen?

Wenn man möchte, kann man dazu Kohlrouladen machen und sie mit Sauerkraut oder Rosenkohl füllen. Vieles ist möglich.

Wie kommt die „Power“ in deinen Rotkohl? Was ist das Besondere an der Zubereitungsweise? 

Der Kohl wird bei 280 Grad geschmort, dass die äußeren Blätter verbrennen und der Saft innen bleibt. Anschließend wird er dehydriert – das Wasser verlässt den Rotkohl, aber der Geschmack bleibt drin. In einer Rotweinreduktion wird der Kohl dann 24 Stunden lang mariniert. Er saugt also noch mehr Geschmack auf. Dann wird er nochmal im Ofen geschmort.

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Kann man dein Rezept auch problemlos in der heimischen Küche ohne professionelles Equipment zubereiten?

Absolut!

Was empfiehlst du zu dem Rotkohl?

Geräucherte vegane Mayonnaise mit frischen Kräutern, die man auch im Winter draußen selbst sammeln kann. Gundermann oder Sauerklee passen gut und diese Kräuter stehen überall. Zusätzlich zum Rotkohl kann man auch einen Rotkrautsalat machen, um eine Frische hereinzubekommen, damit das Deftige nicht dominiert. Als Beilagen eignen sich Gnocchi oder Schupfnudeln gut. Dann noch eine schöne, fruchtige Jus dazu – und fertig. 

Ernährst du dich selbst auch vegan?

Mittlerweile schon. Anfang 2020 habe ich mich umgestellt.

Was kommt bei dir, als veganer Sternekoch, zu Weihnachten auf den Tisch?

Es gab schon eine kleine Meinungsverschiedenheit mit meiner Mutter. Sie ist eine sehr gute Köchin, macht an Weihnachten immer das Essen und haut natürlich die Fleischpeitsche raus. Sie wollte mich damit beruhigen, dass genügend Beilagen da seien. Ich habe ihr dann gesagt, dass Veganer und Vegetarier nicht mehr so einfach mit Beilagen abzufertigen sind. Da muss man ein bisschen kreativ werden. 

Ruhst du dich an Weihnachten mal aus und lässt andere kochen? 

Ich nehme es mir zwar jedes Jahr vor, mal nicht zu kochen, das hält dann so zehn Minuten an und ich stelle mich doch in die Küche. Aus dem Vorhaben, kurz zu helfen, werden dann sechs Stunden.

Wie sieht die Arbeitsteilung in diesem Jahr aus?

Meine Mutter bereitet den Vogel zu und ich mache den Rest. Ich weiß noch nicht, was ich kochen werde und lasse mich gerade noch vom saisonalen Angebot inspirieren. 

Was ist dein kulinarischer Weihnachtswunsch? 

Ich wünsche mir, dass sich die Leute entspannen und sich nicht wegen des Essens stressen. Da hilft es, was Simples zu kochen und auf tierische Produkte zu verzichten. Wie wäre es, wenn man sich überlegt, was man aus Gemüse alles machen kann, vielleicht spazieren geht und Wildkräuter sammelt? Es wäre schön, wenn Weihnachten mal kulinarisch anders dargestellt wird.


Rehydrierter Rotkohl nach Ricky Saward

- Rezeptur für 6 Personen -

Rotkohl (Copyright: Seven Swans)

Rotkohl

Zutat:
ein ganzer Rotkohl  

Zubereitung:
Den Rotkohl bei 240 Grad für circa 50 Minuten garen, bis er in der Mitte weich ist (je nach Größe). Abkühlen lassen und die äußeren verkohlten Blätter entfernen. Den Kohl dann in Spalten schneiden (die Dicke je nach Geschmack). Die Spalten dann auf ein Gitter geben und bei 70 Grad für sechs Stunden dehydrieren, sodass eine wachsige, gummiartige Konsistenz entsteht. In der Rotweinreduktion (siehe unten) für 24 Stunden einlegen.

Rotweinreduktion

Zutaten:

100 Gramm Rübenzucker
200 Milliliter Rotweinessig
200 Milliliter Rotwein
500 Milliliter Rote-Bete-Saft
20 Gramm Margarine
Salz
Gewürze

Zubereitung:

Rübenzucker karamellisieren und mit Rotweinessig und Rotwein ablöschen. Mit Rote-Bete-Saft auffüllen und kochen lassen. Je nach Geschmack Lorbeeren, Wacholderbeeren, Pfeffer, Nelken und Anis hinzufügen. Solange einkochen, bis es andickt. Mit Margarine aufmontieren. Abschmecken.

 

Rotes Sauerkraut

Zutaten:

300 Gramm Rotkohl
15 Gramm jodfreies Salz
20 Milliliter naturtrüber Essig

Zubereitung:

Rotkohl in feine Julienne schneiden. Mit Salz gut durchkneten bis viel Saft entsteht. In ein Glas geben und runterpressen sodass das Kraut mit Saft bedeckt ist. Den naturtrüben Essig hinzufügen. Mindestens sieben Tage bei circa 27 Grad fermentieren.

 

Rotwein-Zwiebeln süß-sauer

Zutaten:

eine rote Zwiebel
100 Gramm Rübenzucker
200 Milliliter Rotweinessig

Zubereitung:

Rübenzucker karamellisieren und mit Rotweinessig ablöschen. Ein wenig einreduzieren lassen. Die roten Zwiebeln in gleichmäßige Spalten schneiden und in den warmen Sud geben. Ziehen lassen.

 

Jus süß-sauer

Zutaten:

100 Gramm Karotten
100 Gramm Sellerie
100 Gramm Lauch
200 Gramm Zwiebeln
20 Gramm Tomatenmark
200 Milliliter Rotwein
1 Liter Gemüsebrühe
Gewürze
Margarine
Rosinen

Zubereitung:

Karotten, Sellerie, Lauch und Zwiebeln klein schneiden und in einem Topf gold-gelb anrösten. Tomatenmark hinzufügen und mit anrösten. Mit Rotwein ablöschen und mit Gemüsebrühe auffüllen. Je nach Geschmack Lorbeerblätter, Pfeffer, Wacholderbeeren und Senfsaat hinzufügen. Für mehrere Stunden kochen lassen. Durch ein feines Sieb passieren. Einreduzieren und mit Margarine aufmontieren. Je nach Geschmack Rosinen hinzufügen und ziehen lassen. Mit Salz und Rotweinreduktion abschmecken.

 

Rotkohl-Chips

Zutaten:

Ein ganzer Rotkohl
Salz
Rapsöl

Zubereitung:

Rotkohlblätter vom Strunk entfernen. Mit ein wenig Öl beträufeln und leicht salzen. Zwischen zwei Backblechen für sieben Minuten bei 180 Grad backen. Die Blätter dann auf einem Gitter für sechs Stunden bei 70 Grad dehydrieren. 

 

Räuchermayonnaise

Zutaten:

100 Milliliter Hafermilch
10 Milliliter naturtrüber Essig
200 Milliliter Rapsöl
10 Gramm Senf
Salz
Räuchermehl

Zubereitung:

Hafermilch, Essig und Öl auf Raumtemperatur bringen und vermengen. Mit Senf und Salz abschmecken. In ein Weckglas geben, mit einer Räucherpistole räuchern und den Deckel verschließen. Das Räuchern, je nach Geschmack, drei mal wiederholen und die Mayonnaise gut vermengen.

 

Blaubeerpulver

Zutaten:

200 Gramm Blaubeeren

Zubereitung:

Blaubeeren auf ein Gitter geben und für sechs Stunden bei 70 Grad dehydrieren. Fein mixen und durch ein Teesieb bestäuben. 

 

Kräuter

Wildkräuter wie Gundermann, Vogelmiere und Sauerklee vor der Haustür sammeln und waschen.

Anrichten

Die Rotkohlspalten im Ofen bei 180 Grad für acht Minuten karamellisieren. Auf dem Teller platzieren und mit dem ausgedrückten roten Sauerkraut bedecken (je nach Geschmack auch angebraten). Ein paar Dots von der Räuchermayonnaise hinzufügen. Eingelegte rote Zwiebeln verteilen. Mit den Wildkräutern ausgarnieren. Rotkohl-Chips platzieren. Mit Blaubeerpulver bestäuben. Die Jus erst am Tisch drapieren, damit sie nicht zerläuft. Je nach Geschmack auch gerne Kartoffelklöße, Schupfnudeln oder Gnocchi als Beilagen servieren.

Guten Appetit!