Den Cocktails auf der Spur: Wie entstand die Kultur der gemischten Getränke?

Den Cocktails auf der Spur: Wie entstand die Kultur der gemischten Getränke?

Classic Coktail (Copyright by Ralph Ravi Kayden on unsplash.com)

Die Ursprünge führen von Entdeckerschiffen auf hoher See in schäbige Hafenpinten und bis in die High Societys des 17. Jahrhunderts hinein. kollex geht dem Begriff „Cocktail“ auf die Spur – mit drei Rezepten für echte Klassiker.

Cocktails sind heutzutage kosmopolitischer Ausdruck – manch eine:r bewertet eine Stadt anhand ihrer Dichte guter Cocktailbars. Doch sie entstanden weit entfernt von großen Metropolen unter eher rustikalen Umständen. Seit rund 200 Jahren kennt und schätzt man die Kultur, alkoholische Getränke zu verdünnen, zu mischen und zu verfeinern. Die Wurzeln der Cocktails gehen vermutlich bis in die Renaissance zurück, wo verdünnter Alkohol vor allem zu medizinischen Zwecken verabreicht wurde. Erst so richtig entwickelt hat sich die Kultur der gemixten Drinks durch die Entdeckung der Neuen Welt (1492) und des Seewegs nach Indien (1498), den afrikanischen Kontinent umsegelnd. Durch die Seefahrt entstanden erste Ur-Cocktails in zwei geographisch gegensätzlichen Teilen der Welt: in der Karibik und in Indien. 

Die Urahnen des modernen Cocktails

Mojito (Copyright by Sam Hojati on unsplash.com)

Der erste Mojito wurde wohl im 16. Jahrhundert in der Karibik auf offener See gemischt – aber nicht nur um die Mannschaft bei Laune zu halten, sondern vor allem, um sie gegen die Seefahrerkrankheit Skorbut zu schützen. Denn Zitrusfrüchte sind ein bewährtes Mittel gegen den Vitaminmangel. Nach dem britischen Freibeuter Sir Francis Drake ist der möglicherweise erste gemischte Drink benannt: „El Draque“ – ein Vorläufer des Mojito aus dem Zuckerrohrschnaps Aguardente de Cana, Minze, Zucker und Limette. Rum wird erst kurze Zeit später erfunden. Den Aufzeichnungen zufolge ließ sich Kapitän Drake den Drink um 1586 auf seinem Schiff kredenzen. Ob er tatsächlich Minze enthielt und ob Limette oder Zitrone zum Einsatz kamen, ist nicht überliefert.

Etwa zur gleichen Zeit gibt es im südasiatischen Raum eine ähnliche Entwicklung. Eine frühe Version des Lucky Punch entsteht. „Punch“ ist eine Abwandlung des Hindi-Wortes „panch“. Es bedeutet „fünf“ und bezieht sich auf die ursprüngliche Zutatenanzahl aus Arrack, Zucker, Zitrone, Wasser und Tee, beziehungsweise Gewürze. Arrack ist eine Überbezeichnung für Schnaps – das kann vergorene Stutenmilch sein, aber auch aus Datteln und Palmzuckersaft gewonnen werden, wie Marco Polo von seinem Indonesien-Aufenthalt 1292 berichtet. Dieses Mischgetränk wurde vermutlich traditionell von den Einheimischen getrunken und die europäischen Seefahrer haben es sich angeeignet und weiterentwickelt. 

Vom Fusel zur Spirituose

Ein weiterer Grund, warum man sich angewöhnte, Schnaps mit Zitrussaft und Wasser zu vermischen, bestand auch darin, dass die damaligen Spirituosen meist pur gar nicht trinkbar waren. Außerdem war es ein gefährliches Unterfangen, das damals oft verunreinigte Wasser zu trinken – konnte es doch krankmachende Keime beinhalten. So empfahl etwa der Generalstabsarzt der British East India Company, John Woodall, seinen Männern jeden Morgen die Spirituose Aqua Vitae mit Wasser und Zitrussaft zu trinken – zur besseren Gesundheit. Erst ab 1800 wurden Kohlefiltrationsverfahren entwickelt, die den Fusel von toxischen Inhaltsstoffen befreiten. 

Segelschiff (Copyright: Zoltan Tasi on unsplash.com)

Jedenfalls tritt der Punch zu Beginn des 17. Jahrhunderts als Cocktail in Erscheinung. Seemänner der British East India Company trinken ihn, um das von tropischen Krankheiten und anderen Entbehrungen gezeichnete Leben ein wenig erträglicher zu machen. Die früheste Erwähnung des Begriffs „Punch“ geht laut dem Historiker David Wondrich auf das Jahr 1632 zurück, der Begriff „Cocktail“ existiert bis dato nicht. Die früheste schriftliche Überlieferung des „cock tails“ geht auf eine Rechnung einer Londoner Taverne aus dem Jahr 1798 zurück. Außerdem wird die Bezeichnung etwas später im Jahr 1803 in einer Zeitung aus dem amerikanischen New Hampshire genannt – diese Aufzeichnung galt lange als das erste Dokument, in dem der Begriff „cock tail“ enthalten war – bis Historiker:innen die Bar-Rechnung von 1789 entdeckten.

Vom medizinischen Seemannstrunk zum Trendgetränk der High Society 

Doch zurück ins 17. Jahrhundert: Im Jahr 1687 wurde Rum zur offiziellen Ration für Seemänner der britischen Marine und löste aufgrund besserer Haltbarkeit Bier und Wein ab. Kapitän William Dampier, der die Welt drei Mal umsegelt hatte, schrieb 1699 in seinen Memoiren:

„Schiffe, die von manchen der karibischen Inseln kommen, haben immer ausreichend Rum, Zucker und Limettensaft für Punch geladen, der die Mannschaft kräftigt und während der Arbeit bei Laune hält …“

Die Zusammensetzung des Punchs folgte zu dieser Zeit noch keinen einheitlichen Regeln. In seinem Buch „Café Royal Cocktail Book“ (1937) schreibt W. J. Tarling jedoch, dass die Diener karibischer Plantagenbesitzer nach folgender Faustregel vorgegangen sein sollen: „One sour, two of sweet, three of strong, four of weak” (ein Anteil sauer, zwei süß, drei stark, vier schwach). 

Bald schwappt der Punch von der Seefahrt zunächst in die britische, dann in die amerikanische High Society und in die des restlichen Europas. Es wird Trend, das alkoholische Mischgetränk zu sich zu nehmen – nicht zuletzt auch als Zeichen des hohen sozialen Status. Nach der Urform des Arrack-Punches entstehen nun auch Varianten aus Brandy und Gin. Letzterer befindet sich im 17. Jahrhundert noch in seiner frühen Form des holländischen Genever und wird erst später in seinen vielfältigen Varianten entwickelt. 

Copyright: kollex GmbH

Woher hat der Cocktail seinen Namen?

Einen weiteren Einfluss auf die Cocktail-Kultur haben Bitters: Elixiere aus in alkoholischen Lösungen eingelegten Kräutern, Gewürzen und Wurzeln. Im 17. und 18. Jahrhundert entwickelte man sie zu medizinischen Zwecken und verabreichte sie in Tropfenform. Pur waren und sind Bitters nicht trinkbar, aber sie dienen als Aromamittel in einem alkoholischen Mischgetränk – so entstand der „Bittered Sling“ – eine andere antiquierte Bezeichnung für „Cocktail“.

In der Urphase der Cocktail-Bars im späten 19. Jahrhundert wurden Bitters durch den Keil einer Hühner- oder Hahnenfeder, die im Flaschenkorken steckte, ausgekippt. Durch den „cock’s tail“ also – darauf fußt eine Theorie der Begriffsentstehung des Cocktails. Eine andere basiert auf den hanebüchenen Geschichten, die Barkeeper ihrer Kundschaft zur Unterhaltung oft auftischten: „Cock’s Tale“. Wieder eine andere Überlegung geht auf die damals gängige Praxis zurück, Pferden Ingwer in den Anus zu stecken, damit sie lebendiger wurden und den Schweif höher trugen – „cock it’s tail“.

Ob sich der Begriff nun von einer, mehrerer oder keiner dieser Theorien ableitet – darüber lässt sich heute nur noch spekulieren. Besonders gut darüber streiten, lässt es sich bei einem schönen Glas in der Hand: 

 

Planter’s Punch (Copyright: Jennifer Pallian on unsplash.com)

Planter’s Punch

  • 3 Teile gereifter Jamaikarum

  • 2 Teile frischer Limettensaft

  • 1 Teil Zuckersirup (2:1)

  • 2 Dashes (Spritzer) Angostura Bitters

  • Soda

Alle Zutaten bis auf das Soda im Shaker auf Eiswürfeln zehn bis 15 Mal kräftig schütteln. Auf frische Eiswürfel im Highball-Glas abseihen und mit wenig Soda auffüllen, mit frisch geriebener Muskatnuss und/oder Früchten der Saison garnieren. 



 

Sazerac Cocktail (Copyright: Adam Jaime on unsplash.com)

Sazerac Cocktail

  • 6 cl Rye Whiskey oder Cognac

  • 1 BL (Barlöffel) Zuckersirup (2:1)

  • 2 Dashes Peychaud’s Bitters, 

  • Absinth

Seine Raffinesse erhält der Cocktail durch das mit Absinth aromatisierte Glas: Etwas Absinth mit Eis in einen Tumbler geben, kurz umrühren und beiseite stellen. Alle anderen Zutaten im Rührglas auf Eiswürfeln circa 30 Sekunden verrühren. Den Tumbler entleeren und den Inhalt aus dem Rührglas in den Tumbler abseihen, mit Zitronenzeste garnieren. 

 

Mint Julep (Copyright: Adam Jaime on unsplash.com)

Mint Julep

  • 6 cl Bourbon Whiskey

  • 1 BL Zuckersirup

  • 15-20 Minzblätter

Minzblätter andrücken und mit allen Zutaten in einen vorgekühlten Becher geben. Fünf Minuten ziehen lassen, dabei gelegentlich umrühren. Minzblätter entfernen, Highball-Glas mit gestoßenem Eis füllen und umrühren, bis das Glas von außen beschlägt. Noch einmal mit Eis auffüllen und mit Minzblättern dekorieren. 








Quelle: „Cocktails. Geschichte – Barkultur – Rezepte“, Helmut Adam, Jens Hasenbein, Nils Wrage (Mixology – Magazin für Barkultur, Berlin)

 

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