Gastro-Konzepte der Zukunft Teil 3: Low Waste im Isla Berlin
Gastro-Konzepte der Zukunft Teil 3: Low Waste im Isla Berlin
Zero Waste Cafés sind in aller Munde. Peter Duran und Philipp Reichel führen mit dem Isla Coffee in Berlin ein Café, das ursprünglich als gastronomisches Labor für Nachhaltigkeitsideen gedacht war.
„Mit dem Begriff Zero Waste tue ich mich schwer“, sagt Duran. Er findet, dass es mit dem Trend teilweise zu weit getrieben werde. Denn Zero Waste mache dann keinen Sinn mehr, wenn für die Wiederverwertung zu viele Ressourcen verschwendet würden. „Wir betreiben hier im Isla Coffee Kreislaufwirtschaft und Low Waste“, erklärt der Gastronom. Das bedeute, dass immer abgewägt würde, ob mit den Ressourcen verantwortungsvoll umgegangen wird. Dabei sehe er auch Arbeitszeit und Arbeitskräfte als Ressourcen.
Vom Tellerwäscher zum Nachhaltigkeitsspezialisten
Peter Duran kommt gebürtig aus Detroit in den USA. Neben seinem Nachhaltigkeitsstudium, spezialisiert auf Lebensmittel, jobbte er in der Gastronomie. Er wusch Teller ab oder kochte Kaffee. In Amsterdam schloss er sein Studium ab und kam 2014 nach Berlin. „Die Jobsuche war schwierig. Also begann ich im Café in der Markthalle 9 Vollzeit zu arbeiten. Dadurch habe ich auch mein Visum erhalten“, sagt Duran.
Ein Café als Labor für Nachhaltigkeitsideen
In der Markthalle 9 lernte Duran seinen heutigen Geschäftspartner Philipp Reichel kennen. Er war dort als Barista tätig. Die Freunde haben sich zusammen getan und 2016 das Isla Berlin gegründet. Ihre Vision war es, ein Café als Labor für Nachhaltigkeitsideen zu eröffnen. „Im Isla kann ich ganz viel Wissen aus meinen Studium in die Praxis umsetzen“, freut sich Duran. „Philipp macht das praktische ‚Hands On‘ und ich bin für die Büroarbeit dahinter zuständig mit all den Zahlen und der Planung“, erklärt Duran die Arbeitsteilung.
„Nachhaltiges Fleisch gibt es nicht“
Was für ihn Nachhaltigkeit bedeute? „Das Bewusstsein für die Ressourcen, die die Erde auf Dauer hervorbringen kann“, lautet Durans Antwort. Es handele sich um eine wissenschaftliche Methode, anhand derer die Weltbevölkerung langfristig ernährt und die Ökologie geschont werden können. „Zurzeit werden zu viele tierische Produkte nachgefragt und zu viele Monokulturen angebaut“, weiß Duran. Selbst wenn das alles biologisch sei, würden dadurch nur die negativen Entwicklungen gebremst und nicht gestoppt. „Nachhaltiges Fleisch gibt es nicht. Bio-Fleisch ist einfach ein geringeres Übel“, sagt er. Deshalb ist das Konzept des Isla Coffee vegetarisch und zu 80 Prozent vegan.
„Die Herkunft von Lebensmitteln ist nicht transparent genug“
Duran findet, dass es für die Konsument:innen heutzutage keine natürlichen Rückmeldungsschleifen mehr gebe. Es bestehe kein gesundes Verhältnis mehr zum Lebensmittel, weil die Herkunft und die Bedingungen, unter denen es entstand, nicht transparent genug seien. „Die Wertschöpfungsketten sind einfach so unglaublich lang, dass man überhaupt nicht mehr nachvollziehen kann, welcher Schaden verursacht wird“, sagt er.
„Faire Löhne sind auch ein Bestandteil von Nachhaltigkeit“
Transparenz sorge nicht nur für ökologische, sondern auch für soziale Nachhaltigkeit: Wie werden die Menschen, die für das Produkt arbeiten, behandelt und bezahlt? Ist die Preisgestaltung für beide Parteien – also für Produzent:innen und Konsument:innen – gerecht? Woher kommt die Ware? All das seien Fragen, die man sich stellen müsse. „In meiner Familie gibt es auch Bauern. Deshalb lege ich großen Wert darauf, dass die Erzeuger:innen, von denen wir beziehen, faire Löhne zahlen können“, betont der Café-Betreiber. Diesen Anspruch lege er auch bei sich selbst an: „Mir ist es wichtig, dass es sich mein Team leisten kann, regelmäßig in so einem Café wie dem Isla essen zu gehen“.
Low Waste und Kreislaufwirtschaft
Für die Produkte, die im Isla zum Einsatz kommen, erstellt der Nachhaltigkeitsexperte eine sogenannte „Ressource Flow Analysis“. Dabei seien auch Arbeitszeit und Energieverbrauch Faktoren, die in Betracht gezogen werden müssten. „Wenn wir sehen, dass bei einem Gericht so viele Reste entstehen, dass deren Weiterverarbeitung zu viel Aufwand mit sich bringt, dann streichen wir dieses Gericht von der Karte“, sagt Duran. „Wird zum Beispiel den ganzen Tag der Herd genutzt, um etwas einzukochen, dann verbraucht das zu viel Energie. Deshalb dören und trocknen wir viel“, erklärt er. Eine ganzheitliche Betrachtung sei also wichtig: „Man muss sich fragen, ob es mehr Sinn macht, den Ofen den ganzen Tag anzulassen, oder etwas Übriggebliebenes in der Biotonne zu entsorgen – was zieht mehr Energie? Sicherlich der Ofen!“
„Die Produkte dürfen nicht zu viele Kilometer zurücklegen, um ins Café zu kommen“
Das Konzept des Isla Coffee ist regional und saisonal. Der Grundsatz im Isla Coffee laute: Das Angebot und die Waren, die sie beziehen, müssen so wenige negative Auswirkungen wie möglich haben. Deshalb sei eine nachhaltige Logistik wichtig. „Die Produkte dürfen nicht zu viele Kilometer zurücklegen, um ins Café zu kommen. Wir arbeiten mit kleinen Produzent:innen, die wir gut kennen“, betont der Café-Betreiber. Die persönliche Ebene habe auch den Vorteil, dass sie sich besser abstimmen könnten: „Wir können uns zum Beispiel mit ihnen darüber einigen, dass keine Einweg-Plastikkisten zum Einsatz kommen, sondern Holzkisten“, sagt Duran. Außerdem organisiere er die Bestellungen so, dass keine vier, sondern nur zwei Lieferungen pro Woche nötig sind.
Der Kaffee-Kompromiss
Bei einigen Dingen müssen er und sein Partner aber auch Kompromisse eingehen. „Eine gewisse Basis müssen wir schon das ganze Jahr über bieten“, sagt Duran. Zitronen, Ingwer und Kaffee wachsen nun mal nicht in der Region. Im Verhältnis zu anderen Dingen, sei das jedoch ein geringeres Übel. „Viel wichtiger ist die Milchwahl beim Cappuccino. 70 Prozent der CO2-Ausstöße werden reduziert, wenn man Hafer- statt Kuhmilch verwendet“, sagt Duran. Im Café biete er zwar beides an. Er versuche aber seine Gäste von der pflanzlichen Milch im Kaffee zu überzeugen. „Bei uns gibt es hin und wieder eine Aktion, bei der der Cappuccino mit Hafermilch umsonst ist“. So könnten Skeptiker:innen sich vom Geschmack des pflanzlichen Cappuccinos überzeugen.
Wiederverwertung ist nicht neu: „Meine Großeltern haben das früher schon so gemacht“
Pro Tag bereitet das Isla-Team 350 bis 400 Cappuccini zu. Beim Aufschäumen bleiben im Schnitt fünf bis acht Liter Restmilch übrig. Diese wird im Café teilweise zu Joghurt weiterverarbeitet und der komme wiederum im Zitronenkuchen zum Einsatz. Außerdem bereiten die Macher:innen im Café ihren eigenen Chai-Tee zu. Aus den übriggebliebenen Gewürzen im Brühsieb machen die Betreiber:innen Sirup. Dieser komme ebenfalls als Süßungsmittel in den Kuchen. Diese vollständige Verarbeitung sei eigentlich keine Innovation, sondern eine alte Tradition: „Meine Großeltern haben das früher schon gemacht“, sagt Duran.
„Keep it simple” als Qualitätsmerkmal
Im Isla Coffee komme Essen aus einfachen Zutaten ohne viel Chichi auf den Tisch. „Wir sind da sehr minimalistisch und möchten einen Schwerpunkt auf die Qualität der einzelnen Ingredienzien legen“, erklärt Duran. Als Frühstück servieren die Café-Betreiber etwa Eier auf Sauerteigtoast mit Butter und Petersiliensalz, das im Café aus den getrockneten Stielen des Krauts hergestellt wird. Die Eier kommen von einem Erzeuger, den Duran auf dem Wochenmarkt kennengelernt hat, das Brot bezieht er von einer Berliner Bäckerei.
Rückzugsort Isla
Durans Großeltern stammen aus Mexiko. Der Amerikaner ist also mit englisch und spanisch zweisprachig aufgewachsen. Daher rührt auch der Name „Isla“, was aus dem Spanischen übersetzt „Insel“ bedeutet. Der Name ist Programm: Mit seinem Café möchte Duran eine Insel der Entschleunigung, einen Rückzugsort, im hektischen Berlin-Neukölln bieten.
Wie können Gastronom:innen ihre Betriebe nachhaltiger gestalten? Der Experte rät:
Regionalität und Saisonalität sind die Wegbereiter für Nachhaltigkeit.
Eine enge Zusammenarbeit mit Händler:innen und Erzeuger:innen ist von Vorteil, um die Logistik besser zu gestalten und für mehr Transparenz zu sorgen.
No Go’s in Durans Café sind Fleisch, Avocado, exotische Früchte und Produkte, bei denen weder Herkunft, noch die Arbeitsbedingungen der Menschen transparent sind. Gastronom:innen, die nachhaltiger werden wollen, können sich überlegen, auf welche dieser Dinge sie in ihren Betrieben verzichten können.
Vorsicht bei Zertifikaten! Fair Trade ist nicht gleich Bio und Bio ist nicht immer gleich nachhaltig. Produkte aus biodynamischem Anbau sind sinnvoll.
Low Waste und Kreislaufwirtschaft bedeuten Ressourcen-Abwägung: Es hilft, eine Prioritätenliste anzufertigen. Muss sehr viel Zeit und Arbeit aufgewendet werden, um ein Produkt zu verarbeiten, dann ist das nicht mehr nachhaltig.
Nachhaltigkeit ist kein endgültiges Ziel. Der Weg dahin muss ständig angepasst, die Ressourcenknappheit immer wieder neu berechnet und erwägt werden.