Gastronomischer Winter? Gastronom*innen befürchten Umsatzeinbrüche in der kalten Jahreszeit.

Gastronomischer Winter? Gastronom*innen befürchten Umsatzeinbrüche in der kalten Jahreszeit

Der Herbst bricht an und Gastronom*innen müssen sich der Frage stellen, wie das Geschäft in den kommenden Monaten unter Corona-Auflagen weiterlaufen wird. Kann eine temporäre Wiedereinführung von Heizpilzen helfen?

Gedeckter Tisch by Hotel Menge

Gedeckter Tisch by Hotel Menge

Gut ein halbes Jahr ist vergangen, seitdem Covid19 nicht nur das wirtschaftliche Leben auf der ganzen Welt verändert hat. Für die Gastronomie bedeutete das zunächst Stillstand durch Schließung. Mit der allmählichen Öffnung seit Mai konnten Hotel- und Restaurant-Betreiber*innen das Geschäft langsam wieder aufnehmen – jedoch unter strikten Auflagen, die sich von Bundesland zu Bundesland unterscheiden. Doch das Risiko ist längst nicht gebannt. Steigende Zahlen zeigen eine zweite Welle an. Auch die anbrechenden kalten Jahreszeiten bergen neue Herausforderungen für das Gastgewerbe. Laut Virolog*innen würden die Temperaturen im Herbst und im Winter das Wachstum des Virus begünstigen. Aufgrund der höheren Ansteckungsgefahr scheuen zudem viele Gäste davor, sich in geschlossenen Räumen bewirten zu lassen.

Was kann die Politik tun, um das Ansteckungsrisiko in der Gastronomie zu minimieren? Auflagen wie die Einhaltung des Sicherheitsabstandes von 1,5 Metern und das Führen von Gästelisten sowie das Tragen von Masken beim Betreten sind in den allermeisten Bundesländern gang und gäbe. Sorge bereitet vielen Gastronom*innen der Einbruch der kälteren Jahreszeiten, in denen Gäste nicht mehr ohne weiteres draußen sitzen können. Darum wird derzeit eine temporäre Wiedereinführung von Heizstrahlern oder -pilzen diskutiert. In vielen deutschen Städten wurden sie vor einigen Jahren aufgrund ihres enormen Ausstoßes von klimaschädlichem Kohlendioxid verboten.

Heizpilze – gut fürs Geschäft, schlecht für die Umwelt

Ingrid Hartges Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) betonte gegenüber dem Tagesspiegel: „Die Kommunen, die derzeit ein Verbot von Heizpilzen haben, sollten es in diesem Herbst und Winter aussetzen“. Wirte, die keine andere Möglichkeit hätten, sollten in diesem Winter Gas-Heizpilze und Elektro-Wärmestrahler verwenden dürfen, findet Hartges. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e. V. (BUND) ist strikt dagegen. BUND-Energieexpertin Irmela Colaço weiß, dass ein einziger Heizpilz in einer Saison so viel Kohlendioxid produzieren könne wie ein Kleinwagen im Jahr. „Wir dürfen nicht die Corona-Krise gegen die Klima-Krise ausspielen“, sagt Colaço. Die Grünen lehnen den Einsatz von Heizpilzen zwar generell ab, halten eine Ausnahme im kommenden Winter jedoch für vertretbar: „Aus klima- und umweltpolitischen Gründen lehnen wir in Zeiten, in denen man im Restaurant oder Café im Winter ganz normal drinnen sitzen kann, den Betrieb von Heizpilzen im Außenbereich ab“, so Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter. „In diesem Winter ist das alles anders und daher wäre ich in dieser speziellen Ausnahmesituation und mit Blick auf den Gesundheitsschutz dafür, Verbote zeitlich befristet auszusetzen“, räumt Hofreiter ein. Viele Kommunen haben jüngst die temporäre Nutzung von Heizstrahlern und -pilzen im Corona-Winter zugelassen.

Was tun, wenn der Außenbereich geschlossen bleibt? Was sagen Gastronom*innen dazu?

Rocky Della Fera,  L'Aperitivo

Rocky Della Fera, L'Aperitivo

Rocky Della Fera betreibt das L'Aperitivo in der Lüdenscheider Innenstadt. Er sieht eine Chance in der Wiedereinführung von Heizstrahlern und -pilzen für den Winter in Coronazeiten: „Dann können die Leute auch im Winter draußen sitzen und gemütlich ihre Getränke zu sich nehmen“, sagt Della Fera. Seine kleine Bistro-Bar mit Kaffee, Cocktails und italienischer Hausmannskost sei im Sommer, aufgrund der 15 Tische auf der Terrasse, gut gelaufen. Im Innenraum stehen neben der Theke zwölf Tische. Der Gastronom befürchtet jedoch, dass seine Umsätze mit den kalten Jahreszeiten einbrechen werden. „Wenn die Leute nicht mehr draußen sitzen können, weil es zu kalt ist, habe ich drinnen durch den Sicherheitsabstand nur noch sechs Tische, plus Theke – das sind mehr als 50 Prozent Einbußen“. Es komme hinzu, dass viele Gäste auch bei geringerer Auslastung geschlossene Räume meiden würden, weil sie Bedenken wegen des Ansteckungsrisikos hätten.

Friederike Menge by Hotel Menge

Friederike Menge by Hotel Menge

Auch Friederike Menge, Betreiberin des Hotel Menge im nordrhein-westfälischen Arnsberg, hat Respekt vor den veränderten Bedingungen im Winter: Die Nachfrage nach Sitzplätzen im Außenbereich sei in den Sommermonaten durch Corona viel größer als sonst gewesen, bemerkt Menge. „Wenn die Leute im Winter nicht mehr draußen sitzen können, wird es schwierig für die Gastronomie, gerade in den ruhigen Monaten Januar und Februar“, befürchtet sie. Das Hotel Menge ist seit 1833 in Familienhand und geht mit Friederike Menge als Betreiberin in die siebte Generation. Da das Haus neben Unterkünften auch ein Restaurant mit gehobener Küche beherbergt, weiß Menge, welche unterschiedlichen Schwierigkeiten sich in Hotellerie und Gastronomie darstellen. „Es ist eine ungewöhnliche Situation, für die wir keine Erfahrungswerte haben. Ein großes Problem ist, dass die Regelungen von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich sind. Es wäre praktisch, wenn sie einheitlich wären“, findet die Hotelière.

Nachdem die Politik der Gastronomie bereits mit Hilfspaketen und der Mehrwertsteuersenkung unter die Arme gegriffen hat, setzen sich die Herausforderungen mit den kalten Wintermonaten fort. Darüber, wie die Bereitschaft der Gäste aussehen wird, auch im Winter auswärts essen zu gehen, lässt sich derzeit nur spekulieren. Die Aussicht, im Winter unter einem wärmenden Heizstrahler im Außenbereich sitzen zu können, dürfte mehr Anreize schaffen, das gastronomische Angebot wahrzunehmen. Eine Wiedereinführung von klimaschädlichen Heizstrahlern und -pilzen könnte der Wirtschaft helfen, der Umwelt jedoch schaden. Ob der zeitlich eingeschränkte Kompromiss zu Ungunsten der Umwelt getroffen wird, entscheidet jede Kommune für sich. Der Gastronomie und Hotellerie zusetzen dürften auch neue Einschränkungen wie das Beherbergungsverbot von Menschen mit Wohnsitz in einem Risikogebiet sowie die Sperrstunde ab einer gewissen Uhrzeit. Letzteres wurde jüngst in Städten wie Berlin oder Frankfurt am Main eingeführt.

 

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