Hoffen auf sieben Prozent: die Mehrwertsteuer in der Gastronomie

Hoffen auf sieben Prozent:
Die Mehrwertsteuer in der Gastronomie

In puncto Mehrwertsteuer birgt die Gesetzgebung für die Gastronomie ein wahres Durcheinander: Der DEHOGA sieht die Fristverlängerung des ermäßigten Satzes bis Ende 2022 als ersten Etappensieg, macht sich aber weiterhin für eine Entfristung stark.

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Corona bietet auch Chancen – zum Beispiel hinsichtlich der seit längerem geforderten Mehrwertsteuersenkung. Im Juli 2020 ist eine Steuererleichterung als Hilfsmaßnahme für die Gastronomie in Kraft getreten. Konkret bedeutete das für Gastronom:innen, dass der Mehrwertsteuersatz auf Getränke von 19 auf 16 Prozent gesenkt wurde. Speisen fielen unter den bereits seit jeher für den Lebensmittelhandel geltenden ermäßigten Steuersatz, welcher von sieben auf fünf Prozent reduziert wurde. Seit dem 1. Januar 2021 sind die gesenkten zwei Prozentpunkte zwar wieder aufgehoben worden, doch am 4. Februar hat der Koalitionsausschuss aus CDU, CSU und SPD eine Fristverlängerung beschlossen: Speisen in der Gastronomie fallen bis Ende 2022 unter den ermäßigten Steuersatz von sieben Prozent. Das gilt jedoch nicht für Getränke. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) fordert schon seit Langem eine einheitliche Senkung auf den ermäßigten Satz für Speisen und Getränke und setzt sich somit für eine Entfristung und für das Einbeziehen von Getränken in die Steuererleichterung ein. 

Currywurst to go oder am Stehtisch wird steuerlich unterschiedlich behandelt

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Ob nun 19 oder sieben Prozent Mehrwertsteuer erhoben werden, ist im Hinblick auf Speisen in der Gastronomie vom Ort des Verzehrs abhängig. Dass die geltende Regelung in der Praxis für Verwirrung sorgt, illustriert folgendes Beispiel: Ein Gast bestellt eine Currywurst an einem Imbiss. Er:Sie entscheidet sich, die Wurst, vor Ort an einem Stehtisch zu essen. Fünf Minuten später kommt ein:e weitere:r Kund:in, isst Pommes-Rot-Weiß jedoch ein paar Meter neben dem Imbiss auf einer Parkbank. Was für den:die Endverbraucher:in augenscheinlich keinen Unterschied macht, wird von der Steuer jedoch verschieden behandelt. Denn der erste Gast zahlt volle 19 Prozent Mehrwertsteuer, der zweite wird mit seinen Fritten to go nur mit sieben Prozent zur Kasse gebeten. In der Regel geben Gastronom:innen jedoch die preislichen Differenzen nicht an die Kundschaft weiter, sondern sorgen für einheitliche Bepreisungen. 

Umweltbewusstsein wird in der Steuer nicht bedacht

Ein weiteres absurdes Beispiel betrifft Cateringunternehmen: Liefert ein Caterer Essen in Einweggeschirr, werden nur sieben Prozent Mehrwertsteuer fällig. Entscheidet sich der Caterer dazu, Porzellangeschirr zu nutzen, dann gilt wieder der volle Satz von 19 Prozent. Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit wird also von der Steuer nicht gerade belohnt. Nutzt der Caterer zwar Wegwerfgeschirr, bringt aber noch zwei Stehtische mit, dann wird der Umsatz auch wieder mit vollen 19 Prozent besteuert. Übrigens: Caterings für Kitas, Schulen und Seniorenheime laufen unter 19 Prozent Mehrwertsteuer, bei Caterings an Universitäten gilt jedoch wieder der gesenkte Satz von nur sieben Prozent. 

Latte Macchiato oder Americano?

Bei Getränken wird für gewöhnlich der volle Satz von 19 Prozent berechnet – ganz unabhängig vom Ort des Verzehrs. Außer es handelt sich zum Beispiel um einen Latte Macchiato oder Cappuccino. Dieser besteht nämlich zu 75 Prozent aus dem Grundnahrungsmittel Milch, bei dem der ermäßigte Steuersatz gilt. Bei schwarzem Kaffee gilt das nicht. Ausnahmen gibt es auch bei Fruchtgetränken: Während ein frisch gepresster Saft immer mit 19 Prozent Mehrwertsteuer berechnet wird, gilt für einen Smoothie der Steuersatz von 7 Prozent – sofern er außer Haus oder an einem Stehtisch verzehrt wird.

„Kneipen, Bars und Clubs werden nicht von der Steuerentlastung profitieren“

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Diese praxisfernen Regelungen sind für viele Gastronom:innen nicht nachvollziehbar. Auch dass im Lebensmittelhandel seit jeher der ermäßigte Satz von sieben Prozent gilt, sind in Zeiten von breit aufgestelltem to go-Angebot in Supermärkten kaum verständlich. Warum wird der verpackte Nudelsalat aus dem Handel steuerlich begünstigt, der frisch zubereitete, auf einem Porzellanteller servierte Salat im Restaurant, der ganz ohne unnötigen Verpackungsmüll auskommt, jedoch nicht? Verglichen mit dem Lebensmittelhandel sei die Gastronomie viel arbeitsintensiver: Auf den gleichen Umsatz kämen sechs Mal mehr Beschäftigte, schrieb der DEHOGA 2016 in einem Factsheet. Hinzu kommt die Ungleichbehandlung von Getränken und Speisen: „Kneipen, Bars, Clubs und Diskotheken, die ausschließlich Getränke anbieten, werden nicht von der Steuerentlastung profitieren. Und gerade sie sind von der Pandemie ganz besonders gebeutelt“, sagt Guido Zöllick, Präsident des DEHOGA.

„Es wäre widersprüchlich, Essen ab 2023 wieder mit 19 Prozent zu besteuern“

Seit dem Lockdown, der am 2. November 2020 einsetzte, dürfen Gastronom:innen in bestimmten Bundesländern und Landkreisen teilweise erst jetzt allmählich öffnen. Die im Februar beschlossene Steuersenkung habe für Betriebe seither keine Relevanz gehabt, da während des Lockdowns ausschließlich Abhol- und Lieferservice möglich gewesen sind. „Diese Umsätze unterlagen schon immer dem reduzierten Mehrwertsteuersatz“, verdeutlicht Zöllick. Der DEHOGA macht sich für die Entfristung des ermäßigten Steuersatzes auf Speisen und Getränke stark: „Es wäre widersprüchlich, frisch zubereitetes Essen in unseren Restaurants ab 1. Januar 2023 wieder mit 19 Prozent zu besteuern“, so Zöllick. „Sieben Prozent Mehrwertsteuer stellen eine Stärkung der frisch zubereiteten Speisen, der regionalen Küche und der arbeitsintensiven Gastronomie dar.“

Die Verlängerung der Mehrwertsteuersenkung bis Ende 2022 schafft Perspektiven und Zuversicht. Ab 2023 soll nach der gegenwärtigen Bestimmung wieder der volle Steuersatz erhoben werden. Ob die Entfristung und somit ein Ende des Mehrwertsteuer-Wirrwarrs gelingt, das wird die Zukunft zeigen.


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