Mehrwertsteuersenkung: Was bringt sie der Gastronomie?
Mehrwertsteuersenkung: Was bringt sie der Gastronomie?
Null-Umsätze über zwei Monate hinweg bei laufenden Kosten – das bedeutete der Lockdown für die allermeisten Gastronom*innen. Trotz Wiedereröffnung kämpfen sie um ihre Existenzen. Die Mehrwertsteuersenkung soll ihre Verluste zumindest ein wenig kompensieren.
Ab Mitte Mai haben die Bundesländer nach und nach beschlossen, auch die Gastronomie wieder öffnen zu lassen. Nach bis dato zwei Monaten des Rückzugs und der sozialen Distanzierung dürften sich viele Bürger*innen über die Öffnung von Läden und Restaurants vorsichtig gefreut haben. Für Gastronom*innen geht das Geschäft zwar weiter, sie leiden jedoch unter den zurückliegenden Einbußen und dürfen, zur Sicherheit aller, nur unter Einhaltung von Corona-Auflagen öffnen. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband e. V. (DEHOGA) schreibt auf seiner Webseite „(…) Abstandsgebote, Kontaktbeschränkungen, noch einmal deutlich erhöhte Hygienestandards sowie neue Dokumentations- und Registrierungspflichten bedeuten viel höhere Aufwendungen bei gleichzeitig massiven Umsatzverlusten und steigenden Kosten.“
Der angeschlagenen Wirtschaft aus der Krise helfen soll das Konjunkturpaket und damit die Anfang Juli eingeführte Senkung der Mehrwertsteuer. Von der Automobilindustrie bis hin zur Gastronomie müssen alle Branchen seit dem 1. Juli weniger Steuern zahlen. Das soll die Kaufkraft ankurbeln und gebeutelten Unternehmen unter die Arme greifen. Konkret bedeutet das für die Gastronomie, dass der Mehrwertsteuersatz für Getränke von 19 auf 16 Prozent gesenkt wird. Speisen fallen seit dem 1. Juli unter den bereits für den Lebensmittelhandel geltenden ermäßigten Steuersatz, welcher von sieben auf fünf Prozent reduziert wurde. Vor allem die stark in Mitleidenschaft gezogene Gastronomie hat wirksame Hilfen dringend nötig, doch kann das Konjunkturpaket den finanziellen Schaden dieser Branche kompensieren?
„Ein Tropfen auf dem heißen Stein“
Ingrid Blersch betreibt gemeinsam mit ihrem Partner Frank Neidhold das Restaurant Eat and Art in Frankfurt am Main. Für Blersch ist die Maßnahme „ein Tropfen auf dem heißen Stein“, denn erst einmal bedeute sie einen erheblichen Mehraufwand für Gastronom*innen: „Die Kassen müssen umprogrammiert werden. Viele meiner Kollegen können das nicht selbst und beauftragen dafür Fremdfirmen. Zwischen 200 und 400 Euro zahlt man für eine Umstellung des Kassensystems.“, erklärt die Gastronomin. Gerade für kleine Gastronomiebetriebe sei die Umprogrammierung daher problematisch.
Hinzu kommt, dass die Senkung der Mehrwertsteuer keinen großen Umsatzzuwachs bringe: „In einem kleinen Betrieb, der einen monatlichen Umsatz von etwa 10.000 Euro macht, beläuft sich die Steuererleichterungen auf ungefähr 800 Euro.“, rechnet Blersch. Das sei keine wirkliche Entlastung, betont die Gastronomin. Mehr Umsatz nehme man erst dann ein, wenn mehr Gäste kommen. Damit spricht sie ein weiteres Problem an: „Durch die Abstandsregelung müssen wir auf mindestens 20 bis 30 Prozent der Tische verzichten und selbst wenn das Restaurant unter diesen Bedingungen voll wäre, kommen wir auch mit gesenkter Mehrwertsteuer nicht auf unseren Umsatz“, sagt Blersch.
Steuergerechtigkeit und Zukunftssicherung
Als einen „lange geforderten und wichtigen Schritt“ betrachtet Madjid Djamegari die Maßnahme. Er betreibt den Club Gibson und sitzt im Vorstand der Initiative Gastronomie Frankfurt e. V. – eine Interessenvertretung vieler Frankfurter Gastronom*innen. Durch die temporäre Befristung bis 2021 sowie die Tatsache, dass Getränke nicht unter den ermäßigten Steuersatz fallen, würden die durch Corona entstandenen Verluste nur zu einem Bruchteil aufgewogen.“, kritisiert Djamegari. Ziel müsse sein, den Mehrwertsteuersatz auf Speisen und Getränke in der Gastronomie dauerhaft niedrig zu halten. Damit spricht er ein Problem an, das von Interessenverbänden der Gastronomie bereits lange vor Corona thematisiert wurde: Im Gegensatz zum Lebensmittelhandel fielen Getränke und Speisen in der Gastronomie vor Einführung des Hilfspakets nicht unter den ermäßigten Steuersatz. „Es geht um Steuergerechtigkeit, aber auch um die Zukunftssicherung vieler Betriebe“, betont der Clubbetreiber.
Roßmann kritisiert Maßnahme
Die Steuersenkung im Zuge des Konjunkturpakets bezieht auch jene Unternehmen ein, die ihr Geschäft während des Lockdowns weiter betreiben konnten. Online-Handel, Drogerie- und Supermarktketten profitieren ebenfalls von der Maßnahme. Im Handelsblatt fordert Raoul Roßmann, Junior-Chef der Drogeriemarktkette Rossmann, die Mehrwertsteuer deutlich stärker zu senken, jedoch nur für die wirklich betroffenen Branchen. Sinnvoll sei, seiner Meinung nach, eine Mehrwertsteuersenkung um fünf bis zehn Prozentpunkte. Der Onlinehandel müsse dabei generell ausgeklammert werden, findet Roßmann.
Für die Gastronomie scheint eine Mehrwertsteuersenkung auf Zeit ohne ermäßigten Satz auf Getränke erheblichen Mehraufwand anstatt Entlastung mit sich zu bringen. Ob und was die Maßnahme bringen kann, wird sich im Laufe der nächsten Monate zeigen.