Rebecca Fischer: „Ich habe mitbekommen, dass Männer mit eher wenig Talent so tun, als wären sie die Allerbesten“

Rebecca Fischer: „Ich habe mitbekommen, dass Männer mit eher wenig Talent so tun, als wären sie die Allerbesten“

Im Interview spricht Rebecca Fischer, Chef de Cuisine im Schlicht. Esslokal in Koblenz, darüber, wie sie aus einem Popup-Konzept ein eigenes Restaurant gemacht hat und wie es sich anfühlt, als Frau eine leitende Funktion in einer Männerdomäne zu haben.

Interview: Katrin Börsch

Team Schlicht. Esslokal. (Copyright: Sophia Schillik)

Frau Fischer, 2023 wurden Sie vom Gault Millau zur „Entdeckung des Jahres“ ausgezeichnet. Wie sind Ihre Gefühle dazu?
Das war ein riesengroßes Geschenk, was uns nur sechs Wochen nach Eröffnung gemacht wurde. Wir haben überhaupt nicht damit gerechnet. Und auch dadurch wird es unfassbar gut angenommen, was wir machen. Wir haben großes Glück, dass die Menschen gerne zu uns kommen. Es sind ja auch für die Gastronomie eher schwierige Zeiten, wir bekommen von Kolleg:innen mit, dass die Buchungslage noch lange nicht wie gewünscht oder auch benötigt ist. Das sieht bei uns glücklicherweise gut aus. Wir sind froh und stolz darauf, dass wir gesehen werden. Vor allem auch weil unser Konzept ein bisschen speziell ist, was die Öffnungszeiten angeht.

Wie sehen denn die Öffnungszeiten aus?
Wir machen nur alle zwei Wochen donnerstags, freitags und samstags auf. Das liegt daran, dass wir im Kernteam alle noch einen anderen Job haben. Das führt natürlich auch dazu, dass wir anders wirtschaftlich sein können. Ich arbeite zum Beispiel in der Küche einer Feinkostmetzgerei. Richard, der Restaurantleiter, ist Musikwissenschaftler, Lisa, die Souschefin, ist Gymnasiallehrerin und Marc, der Sommelier, ist Grundschullehrer. Auch die beiden neuen im Team, Anna und Marco, sind im Hauptberuf nicht in der Gastronomie beschäftigt.

Was ist ihr Küchenstil?
Ich arbeite extrem Produkt-fokussiert. Die Produktqualität bestimmt den Geschmack. Ich arbeite auch nicht mit vielen Gewürzen, sondern nur mit Salz und Kräutern. Ich bleibe einfach sehr gerne in diesem schlichten Geschmacksbild und finde die Reinheit von extrem guten Produkten toll. Meine geschmackliche Landkarte ist an meinem Lebensort geformt, deswegen sind die Gerichte, die ich mache, an einer deutschen oder nordeuropäischen Küche orientiert.

Wie sind Sie in der Gastronomie gelandet?
Ich habe nach dem Abitur Geographie studiert und mein Studium durch Jobs in der Küche finanziert. Dann wollte ich auf Lehramt wechseln, habe ein paar Semester gewartet, doch irgendwann wurde mir gesagt, dass ich da wahrscheinlich keinen Platz bekommen werde. Dann wurde mir parallel im Koblenzer Kultclub Circus Maximus ein Ausbildungsplatz angeboten. Wenige Monate später habe ich die Zwischenprüfung mit 100 von 100 Punkten abgeschlossen. Daraufhin kam dann die IHK auf mich zu und sagte, wir können Sie nicht weiter Burger braten lassen. So kam ich 2016 in meinen Ausbildungsbetrieb Gerhards Genussgesellschaft und habe dort die Ausbildung abgeschlossen. Währenddessen konnte ich ein Praktikum in Berlin im Nobelhart und Schmutzig machen. 2017 – nach eineinhalb Jahren Ausbildung – war ich ausgelernt und fing in meinem ersten Betrieb an. Im Schiller’s war ich gerne kreativ in der Küche, der Chef de Cuisine dort hat meine Kreationen in seinen Stil übersetzt und ich dachte mir irgendwann, ich finde meine Gerichte eigentlich  ganz gut, wie sie sind, und vielleicht will das ja auch jemand so essen.

Was haben Sie also gemacht?
Ich fing an, das Essen meinen Freund:innen auf Kochabenden zu präsentieren. Irgendwann haben wir kleine Räumlichkeiten im Nachbarort angemietet. Dort haben wir mit einem Popup-Konzept Abendveranstaltungen gemacht. Wir haben gemerkt, dass das ganz gut angekommen ist. In anderen Räumlichkeiten haben wir das Popup über fast fünf Jahre einmal im Monat am Wochenende gemacht.

Schlicht. Esslokal. (Copyright: Zweiheit)

Und jetzt sind Sie Chef de Cuisine im Schlicht. Esslokal.
Ja, für mich war immer klar, dass ich irgendwann selbst etwas eröffnen möchte. Und 2022 endete meine Lehrstelle an der Berufsfachschule, also dachte ich, jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür. Also haben wir uns auf die Suche nach einer Location begeben, eine gefunden und angefangen, umzubauen. Das hat ein Jahr gedauert, bis wir im April 2023 endlich eröffnen konnten.

Wie fühlt es sich an, als Frau eine leitende Funktion in einer Männerdomäne zu haben?
Natürlich bin ich auch ein paar Küchen durchlaufen, in denen es blöde Sprüche unterhalb der Gürtellinie gab. Viele der Jungs  dort finden sich einfach ein bisschen zu witzig und zu toll. Heute würde ich sagen, dagegen muss man sich positionieren. Damals habe ich gesagt, man muss mitmachen, um da nicht unterzugehen. Ich habe mit der Zeit gemerkt, dass das überhaupt nicht gesund ist und das gar kein schönes Umfeld ist. Ich möchte das anders machen. Während meines Praktikums hat mich das im Nobelhart und Schmutzig sehr beeindruckt, weil niemand im Team diesen Ton hatte. Das war das erste Mal, dass ich das mitbekommen habe. Und da habe ich auch gesehen, dass es weder nötig ist, noch hat jemals ein schreiender Küchenchef seine Truppe besser unter Kontrolle gehabt. Ich habe das große Glück, dass ich meine Freund:innen in meinem Team um mich habe und wir machen das halt einfach anders – respektvoll. Ich fühle mich da wohl, weil wir eine Umgebung geschaffen haben, die jedem Menschen gut tut. Aber ich fühle mich nicht wohl aus dem Grund, dass ich eine Frau bin und es anders mache. Das ist nicht der Grund.

Rebecca Fischer (Copyright: Georg Sänger)

Gibt es generell einen Unterschied im Verhalten zwischen Männern und Frauen?
Ich habe durchaus schon mitbekommen, dass Männer mit eher wenig Talent so tun, als wären sie die Allerbesten. Das ist in dieser Branche bei jungen, aber auch bei älteren Männern ab und zu zu sehen. Ich sehe das bei weiblichen Kolleginnen seltener, dass sie dieses Übermaß an Selbstüberschätzung haben.

Würden Sie sagen, dass es von Vorteil ist, in Ihrer Position eine Frau zu sein?
Nein, ich würde nicht sagen, dass es Vorteile hat. Sehr hilfreich ist ein ruhiges Gemüt. Ich finde aber auch, dass es gut ist, dass das gerade thematisiert wird. Es wird angesehen, dass da eine Frau steht. Das wird nicht mehr so belächelt, wie früher.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass wir so reflektiert bleiben, dass wir sehen, was unsere Gäst:innen sich wünschen. Dass wir weiterhin wach bleiben, Trends wahrnehmen, unserer Richtung treu bleiben und gesehen werden.

 

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